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Intime Einblicke

«Im Moment nicht gerade viel Sex»

Die 31-jährige Mona* ist mit ihrem Ehemann seit zehn Jahren zusammen. Die beiden haben zwei Kinder – und nicht mehr so viel Sex wie früher. Was das mit dem Nachwuchs zu tun hat, erzählt die Seeländerin im vierten Teil dieser Serie.

Illustration: Tiphaine Allemann
  • Dossier

Guten Sex definiere ich nicht in erster Linie über Quantität, sondern über Qualität. Wichtig ist, dass man aufeinander eingeht. Es geht nicht darum, nur für sich selber das Beste herauszuholen. So gesehen kann ich sagen, dass ich mit meinem Mann eigentlich immer guten Sex habe. Ich finde aber, er könnte leidenschaftlicher sein. Denn ich bin sehr leidenschaftlich. Es ist einfach so, dass der Sex meistens von meiner Seite her kommt. Wenn es läuft, dann läuft es. Aber ich muss es anregen. Da würde ich gerne mehr Leidenschaft spüren. Und auch beim Akt selber: Ich finde Küssen sehr wichtig. Er mag Zungenküsse nicht so. Das ist schade. Aber ich sage mir: Wenn er das nicht so gerne macht, ist das halt einfach so, dann macht man das einfach weniger.

Haben wir Sex, ist es fast sicher, dass ich zum Orgasmus komme. Ich würde sagen, zu 90 Prozent. Das hat aber weniger mit meinem Partner zu tun, ich habe da wahrscheinlich einfach Glück. Weder ich noch er müssen sich speziell Mühe geben, es klappt einfach. Vor allem wenn ich beim Sex oben bin, ist der Orgasmus garantiert. In den wenigen Fällen, in denen ich nicht zum Orgasmus komme, finde ich das auch nicht schlimm. Der Sex kann auch so gut sein. Mich stresst es mehr, wenn er nicht zum Orgasmus kommt. Das kam auch schon vor. Dann mache ich mir einen Kopf und denke, es sei für ihn nicht befriedigend gewesen.

 

Der Einbruch kam mit den Kindern

Auch wenn ich guten Sex nicht über die Quantität definiere, muss ich sagen, dass wir im Moment nicht gerade viel Sex haben. Es passiert vielleicht zwei Mal im Monat. Am Anfang unserer Beziehung hatten wir oft Sex. Irgendwann – ich weiss nicht mal mehr genau wann – hat das einfach abgenommen. Richtig eingebrochen ist es nach der Geburt des ersten Kindes. Ich habe in dieser Zeit kaum geschlafen, war müde und gestresst und hatte einfach keinen Bock. Da er nicht der Typ ist, der den Sex anzettelt, kam es auch nur selten dazu. Er hat sich nie darüber beschwert, hat das so akzeptiert. Ich muss dazu auch noch sagen, dass er einige Jahre älter ist als ich und sowieso findet, man müsse nicht drei Mal pro Woche Sex haben.

In dieser Zeit haben wir beide nicht viel geschlafen, was auch auf die allgemeine Stimmung drückte. Und weil es untereinander nicht so gut lief, fehlte die sexuelle Anziehung. Die längste Zeitspanne, in der wir damals keinen Sex hatten, dauerte rund vier Monate. Das änderte sich alles, als der Kleine durchschlief und wir beide wieder entspannter wurden. Es war auch nicht schwierig, sexuell wieder zueinander zu finden. Ganz allgemein veränderte sich der Sex nicht gross. Der Unterschied ist vielleicht, dass wir uns weniger Zeit nehmen, weil man wie auf Nadeln ist und denkt, die Kinder könnten jederzeit aufwachen. Schlechter geworden ist unser Sex aber nicht. Ich finde, mit der Zeit wird man auch kreativer.

Trotzdem erreichten wir nach den Kindern nie wieder denselben Rhythmus wie vor der ersten Schwangerschaft. Damals hatten wir sicher mindestens einmal pro Woche Sex, heute wie gesagt höchstens zweimal im Monat. Wenn die Kinder grösser sind, finde ich, müssen wir daran arbeiten. Das habe ich ihm auch gesagt. Aber im Moment ist das völlig okay. Nach der Geburt des ersten Kindes war ich deswegen schon etwas frustriert. Ich dachte mir: Das kann es doch nicht sein, das ist ja gar kein Paar-Leben mehr. Beim zweiten Kind wusste ich, was auf uns zukommt und ich konnte es so akzeptieren.

 

Der Wunsch nach mehr

Trotzdem: Wenn Sie mich fragen, ob ich ein erfülltes Sexleben habe, muss ich mit einem Nein antworten. Wie gesagt, es ist nicht tragisch. Aber so einmal pro Woche, das müsste auch mit Kindern möglich sein. Mir hat mal eine Freundin erzählt, die mit ihrem Partner bei einem Paartherapeuten war, dass sie einen Fixtag für Sex einlegen mussten. Das hingegen kann ich mir nicht vorstellen. Ich fände das komisch. Was, wenn ich am Sex-Tag nicht gut gelaunt nach Hause komme und dann trotzdem muss? Nein, ich kann mich mit diesem Gedanken nicht anfreunden.

Spezielle Fantasien, muss ich sagen, habe ich nicht unbedingt. Was ich ein wenig vermisse, ist die Spontanität. Früher hatten wir an verschiedenen Orten Sex. Heute passiert es praktisch nur noch zu Hause. Und dort nicht mal mehr in der Küche, sondern in aller Regel im Bett. Am Abend, wenn die Kinder schlafen. Ich stehe zwar nicht so auf Morgensex, aber es verdeutlicht, wie sehr die Kinder Einfluss auf unser Sexleben haben. Von ihm weiss ich, dass er einen Dreier cool fände. Aber da sage ich ganz klar Nein dazu. Jedenfalls nicht, wenn der Dreier mit einer anderen Frau stattfinden würde. Und zu einem zweiten Mann würde er wohl nicht Ja sagen. Ansonsten glaube ich nicht, dass er Fantasien hat, die er mir nicht verrät. Er ist zufrieden so, wie es ist. Wenn wir etwas ausprobieren, kommt das meistens von meiner Seite. Aber er sträubt sich auch nicht. Ansonsten? Ach ja, es gibt da doch noch was. Ich finde schwarze Männer anziehend – also nicht jeden natürlich, einfach so vom Typ her. Ich habe auch schon geträumt, dass ich Sex mit einem Schwarzen hatte; und das habe ich meinem Mann dann erzählt. Darüber muss ich mir natürlich heute noch Sprüche anhören.

Meinen Mann finde ich auch nach all den Jahren noch attraktiv. Wenn er zum Beispiel handwerklich aktiv ist, schaue ich ihn an und denke: «Geile Siech.» Ich finde es sexy, wenn ein Mann etwas mit seinen Händen anstellen kann. In Zeiten, in denen es emotional nicht so gut läuft in der Beziehung, zum Beispiel nach einem Streit, finde ich ihn körperlich nicht anziehend. Ansonsten weiss er ganz genau, was er tun muss, um mich heiss zu machen. Er weiss sogar besser, was mich anmacht, als ich bei ihm. Ich rede halt einfach sehr offen darüber. Bei ihm muss ich diese Informationen eher aus der Nase ziehen. Pornos habe ich auch schon gekuckt, geil gemacht hat es mich nicht. Von meinem Mann weiss ich, dass er sich Pornos anschaut, und finde das auch okay. Jedenfalls, wenn er das nicht täglich macht oder wenn er neben mir im Bett liegt.

Als ich noch jünger war, dachte ich, dass Sex in einer Beziehung und im Leben allgemein «huere wichtig» sei. Heute sage ich es etwas abgeschwächt: Er ist wichtig. Er muss stattfinden. Ohne Körperkontakt verliert man sich. Ich kannte aber auch Pärchen, bei denen nur das Sexuelle funktioniert hat. Das reichte dann nicht für eine glückliche Beziehung. Auch alles andere muss stimmen. Da habe ich lieber ein wenig weniger Sex, dafür ist der Rest super.

Selbstbefriedigung ist für mich zwar ein Thema, aber es kompensiert den Sex nicht. Ansonsten verhält es sich aber ähnlich wie beim Sex: Wenn ich müde und gestresst bin, habe ich auch keine Lust auf Selbstbefriedigung. Und es hat abgenommen. Früher habe ich mich vielleicht einmal die Woche selbst befriedigt, heute tue ich es zirka einmal im Monat. Sie sehen, ich habe mich nie mehr selbst befriedigt als ich Sex hatte.

 

Was verzeihbar ist; und was nicht

Wenn wir über Treue sprechen, sagt mir mein Mann, er wolle es gar nicht wissen, wenn mir ein Ausrutscher passieren würde. Ich glaube, ich würde es auch nicht wissen wollen. Denn wahrscheinlich würde es zu viel kaputt machen. Gut fände ich es natürlich nicht, so einen Ausrutscher. Aber ich glaube auch nicht, dass ich es gänzlich ausschliessen kann. Bei mir und bei ihm. So naiv bin ich nicht. Ich rede ja nicht von bewusstem Fremdgehen. Was, wenn es zu Hause gerade versch… läuft, man in den Ausgang geht, zu viel trinkt und plötzlich steht da einer, der einem gefällt? Dann kann so etwas vielleicht passieren. Klar, man muss sich beherrschen können, aber ganz ausschliessen kann man so etwas einfach nicht. Ich glaube auch, dass ich ihm so etwas verzeihen könnte. Kommt ganz auf die Situation an. Schwierig zu sagen, wenn man noch nie in einer solchen Situation war. Sicher aber fände ich es schlimmer, wenn er eine Affäre hätte, also wenn er auch emotional mit einer anderen Frau verbunden wäre. Das könnte ich nicht verzeihen.

Ich glaube, dass sich meine Denkweise diesbezüglich verändert hat. Am Anfang meiner Beziehung mit meinem Mann hätte ich nicht gesagt, dass ein Ausrutscher passieren könnte. Da war halt auch noch dieses Verliebtheits-Ding, es gab auf dieser Welt keinen anderen Mann als ihn. Doch dann kommt der Alltag, die Beziehung verändert sich. Ich zweifle manchmal, ob Monogamie wirklich funktionieren kann. Ich weiss auch nicht, wie ich als 50-Jährige darüber denken werde. Heute kann ich es mir nicht vorstellen, aber vielleicht denke ich in diesem Alter an eine offene Beziehung. Wenn es für beide stimmt, kann das funktionieren. Heute habe ich einfach das Gefühl, dass so etwas auf Dauer nicht für beide stimmen kann. Früher oder später entwickelt doch sicher jemand Gefühle für eine Person, die nicht sein Partner ist. Aber eben, ich weiss wirklich nicht, was kommen wird.

*Name der Redaktion bekannt

Aufgezeichnet: Parzival Meister

 

Intime Einblicke (Folge 4)

Die meisten von uns haben ihn – manche mehr, manche weniger. Sex ist eine der natürlichsten Tätigkeiten der Welt. Und trotzdem fällt es uns nicht immer leicht, darüber zu reden. Unter Wahrung ihrer Anonymität lassen Seeländerinnen und Seeländer in dieser losen Serie tief blicken und sprechen offen darüber, welche Rolle der Sex in ihrem Leben spielt. pam

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