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en famille

King-Kong in der Sardinenbüchse

Ich erwache, mitten in der Nacht. Der Wecker zeigt 4.10 Uhr. War da nicht 
etwas? Ich lausche noch einmal. Doch, da klingt eine Melodie aus dem Zimmer nebenan, wo sich gestern Abend spät alle unsere Kinder ein Massenlager eingerichtet haben.

Bild: Theresia Mühlemann, 
Vierfachmama

Theresia Mühlemann

Das kann doch nicht sein, dass dort noch jemand wach ist! Bestimmt ist einer der Jungs erwacht, weil es doch zu eng war, so dicht beieinander, und nun vertreibt er sich die Zeit mit der Spielkonsole. Ach, warum hat das Christkind sich nur erweichen lassen, den älteren beiden so ein Gerät zu kaufen! Hätten wir doch nur bereits die Eltern-App installiert, mit der wir die Spielzeiten kontrollieren können.

Da, wieder diese Klänge. Ich spüre die Wut in mir hochköcheln. Es ist mitten in der Nacht, was soll das? Stellt da jemand echt das Spielvergnügen vor den Nachtschlaf? So nicht! Auch wenn noch Ferienzeit ist, das geht überhaupt nicht. Mein Herz schlägt schnell. Ich werde auf leisen Sohlen wie ein Pfeilgiftjäger zum Kinderzimmer schleichen, dann werde ich den Missetäter überraschen und ihn im bläulichen Schein des leuchtenden Spielgeschehens identifizieren.

«Sag mal, gehts dir eigentlich noch gut?! Stell sofort das Ding aus! Es ist mitten in der Nacht», würde ich aus dem Nichts scharf flüstern, die Zischlaute würde ich dabei etwas überbetonen, sodass sie wie kleine Pfeile durch die Luft fliegen würden. Es würde mir etwas Leid tun und gleichzeitig eine 
Genugtuung sein, dass das Kind, das sich der Nachtruhe widersetzt hat, von meinem überfallartigen Auftreten ein wenig eingeschüchtert sein würde. Bestimmt würde das nie wieder vorkommen.

Entschlossen schlage ich die Decke zurück, schleiche mich zum Kinderzimmer und stosse die angelehnte Tür vorsichtig auf. Das automatische Flurlicht schickt meinen Schatten voraus ins Kinderzimmer, mein wirres Haar unterstreicht die Dramatik. Ich betrete das Zimmer, die Musikanlage spielt leise. «The King-Kong Song» steht auf dem Display. Nur der versehentlich gestellte Radiowecker. Ich schalte ihn aus.

Auf zwei Matratzen liegen drei meiner Kinder, tief schlafend, einander 
zugewandt. Mein Mutterherz überschäumt mit Liebe, augenblicklich werde ich vom polternden King-Kong zum anschmiegsamen Kapuzineräffchen. Ich schmunzle, und schlüpfe zurück in unser Bett, wo die Jüngste es sich auf meinem Platz gemütlich gemacht hat. So schlafen wir, sechs Personen in zwei Betten. Wie glückliche Ölsardinen in der Büchse.

Info: Theresia Mühlemann (39) ist freie 
Autorin und Yogalehrerin. Sie schreibt 
regelmässig für den Regionalteil des BT. 
Im Wechsel mit Parzival Meister berichtet sie an dieser Stelle über ihren Familien-
alltag mit vier Kindern im Alter von 5 bis 
13 Jahren.


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