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Architektur

Minihaus mit maximaler Ausnutzung

Ihr Minihaus kommt gross heraus: Nachdem ihr Studierendenprojekt gebaut und an Schweizer Messen ausgestellt worden ist, dürfen zwei BFH-Architekturstudentinnen ihre zukunftsträchtige Version eines «Tiny Houses» in Südafrika präsentieren.

Antonella Carfi (links) und Sela Farner mit ihrem Tiny House - im Modell und in Originalgrösse. Bild: zvg

Marc Schiess

Zwei Veranden, eine Galerie und massig Stauraum: Das «Tiny House», zu deutsch «winziges Haus» von Antonella Carfi und Sela Farner wirkt nur von aussen wie ein redimensioniertes Einfamilienhaus. Innen bietet es genügend Platz für zwei erwachsene Personen und zahlreiche Gäste auf den beiden Veranden. Die US-amerikanischen Holzveranden aus den 50er-Jahren dienten den beiden BFH-Architekturstudentinnen denn auch als Inspiration für ihre Semesterarbeit «Porch». «Wir wollten auch in einem kleinen Haus Begegnungszonen schaffen, wo sich die Hausbewohner und ihre Gäste aufhalten können», sagt Sela Farner.

Auf kleinen Grundstücken mit knappen Ressourcen verdichtet bauen – das Konzept der Minihäuser kommt ebenfalls aus den USA. Eingeschweizert bedeutet es, «dass eben auch die Weihnachtskugeln und der Racletteofen sauber in Wandschränken versorgt werden können», erklärt Antonella Carfi mit einem Lachen. Um den begrenzten Innenraum von nur knapp 60 Quadratmetern maximal auszunutzen, griffen die beiden Architekturstudentinnen auf weitere Tricks zurück: Die Zimmer selbst sind auf maximale Flexibilität getrimmt: «Unter anderem wegen der gleichen Raumfläche sind die Räume unterschiedlich nutzbar», sagt Carfi.

Der kreative Stauraum

Was bezüglich Möblierung von den beiden Studentinnen in den Zimmern eingeplant wurde, ist gleichzeitig Stauraum: Die Ablagefläche in der Küche lässt sich auch als Tisch oder Sitzunterlage nutzen. Unterhalb der Treppe befindet sich ein versteckter Raum für Technik sowie Putzgeräte, daneben weiterer Stauraum in Form eines Regals, welches auch als Treppengeländer funktioniert. Im Obergeschoss findet sich ein kleiner versteckter Dachboden, und auch die Beleuchtung ist bereits in Decke, Wände und Treppe integriert, der Rest ist individuell bespielbar.

Ein weiterer, optischer, Kniff lässt die Erdgeschossfläche grösser erscheinen als sie ist: Zwei Stufen teilen das Erdgeschoss in zwei gleich grosse Räume mit je einem Fenster und je einer Veranda. Durch die diagonalen Verbindungen im Innern des Hauses sieht man von jedem Punkt im Erdgeschoss in die Landschaft. «Wir haben noch viel von Hand entworfen und am Modell ausprobiert», sagt Farner über die Entstehungsgeschichte. Unter anderem seien die Lichtverhältnisse am Modell überprüft worden und nicht am Computer.

Am Anfang der Wettbewerb

Die beiden Architekturstudentinnen wendeten viel Zeit mit dem Einbeziehen der künftigen Umgebung des Tiny Houses auf. «Am Anfang musste man sich mit der Parzelle, dem Ort auseinandersetzen», so Carfi. «Der Entwurf änderte oft, bis wir eine starke Konzeptidee fürs Projekt mit der richtigen Setzung in die Umgebung entwickelt haben», ergänzt Farner. Diese Umgebung existiert nicht nur als Projektvorgabe auf dem Papier, sondern tatsächlich als kleine Parzelle im toggenburgischen Bazenheid.

Die begleitete BFH-Studienarbeit war als Architekturwettbewerb konzipiert. Als Hauptgewinn winkte die Realisierung des Siegerprojekts inklusive Aufbau und Präsentation des fertigen Hauses an der Messe Holz letzten Oktober und im Januar 2020 an der Swissbau in Basel. Zuletzt würde das wieder zerlegte Tiny House an seinen finalen Standort gebracht und dort aufgebaut und bewohnt werden. Weil sich das Siegerprojekt auf Grund der Faktoren Zeit, Kosten und Bewilligungsfähigkeit nicht realisieren liess, kamen die zweitplatzierten Carfi/Farner zum Handkuss.

Aufbau in nur vier Tagen

Dann ging es schnell: Unter der Projektleitung von Holzbau Schweiz erstellten die St. Galler Holzspezialisten von S. Müller Holzbau AG in enger Zusammenarbeit mit den Architekturstudentinnen innert weniger Wochen die Holzelemente. Ursprünglich wollten Carfi/Farner für die Fassade und das Dach eine monolithische Erscheinung in Holz. Im Verlauf des Entwurfes entschieden sie sich für Well-Eternitplatten in einem speziellen Grüngrau als Kontrast zum Innenraum aus Holz. «Durch die Struktur der Well-Eternitplatten sieht unser Haus nun aus, als träge es ein Kleid», sagt Farner.

Eine der Projektvorgaben lautete, dass sich das Tiny House innert vier Tagen an der Messe Holz aufstellen liess. Diese begann an einem Dienstag, erinnern sich die beiden. Es folgten sehr emotionale Momente. «Wir konnten unser Glück fast nicht fassen. So ein kleines Haus und so viele Leute, die es realisiert und besucht haben.» Bald zeigte sich, dass die beiden künftigen Architektinnen ganze Arbeit geleistet hatten: Die Zimmermänner der S. Müller Holzbau AG konnten das Minihaus nach den Plänen von Carfi/Farner im Zeitplan bauen. Auch gefeiert wurde ordentlich: Mit einem sogenannten «Zimmermannsklatsch»: Alle beteiligten Zimmermänner klatschen ihre Hände übers Kreuz nach traditionellen Texten und Gesängen ab.

Auftritt in Südafrika

Ende Februar wird das Tiny House nach einem letzten Auftritt an der Swissbau an seinem endgültigen Standort im Toggenburg aufgebaut. In dieser Zeit findet in Kapstadt die zehnte Wood Conference statt. An der Weltmesse für nachhaltige Holzbauten treten auch Antonella Carfi und Sela Farner auf. Vor über 600 Holzexpertinnen präsentieren sie ihre Idee eines minimalen Schweizerhauses, das auf einem kleinen Grundstück nicht nur für zwei Personen ausreichend Platz bietet, sondern auch für Gäste, einen Racletteofen und Weihnachtsschmuck.

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Impressum

Diese Seite ist eine Co-Produktion des Departements Architektur, Holz und Bau der Berner Fachhochschule BFH und des «Bieler Tagblatt». Die BFH ist als Partnerin in die Themenplanung involviert. Die redaktionelle Hoheit liegt bei der Redaktion. Die Seite erscheint einmal pro Monat im «Bieler Tagblatt» und im «Journal du Jura».

Stichwörter: Architektur, BFH, Studium, Messe, Holz

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