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Titelgeschichte

Schreiben für alle: Wie das generische Maskulinum zu Grabe getragen wird

In der geschriebenen Sprache dominiert die männliche Schreibweise nach wie vor. Mehr oder weniger kreative Formen, die das ändern sollen, gibt es zahlreiche. Doch welche ist die von allen akzeptierte Lösung?

Grafik: bt/ml

Andrea Butorin

Einer der Kernpunkte der Forderungen des Frauenstreiks vom letzten Freitag ist die geforderte Gleichberechtigung. Kein neues Thema, dafür ein umso breiteres. Lohnungleichheit, Geschlechterklischees, das Abdrängen in eine Statistenrolle: Wer die intensive Berichterstattung zum Thema verfolgte, sah: Jede Frau hat ihre eigene Geschichte zu erzählen.
Ebenfalls einen Teil zur Gleichberechtigung beitragen kann die Sprache. Wie spricht und schreibt man so, dass sich niemand diskriminiert fühlt?

Sehr geehrte Herren

Dies als Anrede an eine Gesellschaft, in der Frauen und Männer gleichermassen vertreten sind.

Liebes Fräulein, werter Herr; Professor Doktor Hans Wohlfahrt und seine Gattin

Heute ist es unbestritten, dass diese Beispiele eine Ungleichstellung von Frauen und Männern darstellen. Doch auch in der aktuellen Sprache, nicht zuletzt in den Medien, wird immer noch oft und aus Gewohnheit das generische Maskulinum gesetzt. Generisch bedeutet geschlechtsunabhängig. Das Wort «Lehrer» kann somit für einen konkreten, männlichen Lehrer stehen, aber auch Frauen «mitmeinen».

Ein Beispiel für das generische Maskulinum aus dem «Bieler Tagblatt» vom Dienstag:

Standbetreiber, die sich bei der Musik nicht an den Grenzwert von 85 Dezibel halten, werden zur Kasse gebeten. Bisher hafteten die Braderie-Macher für die Lärmsünder, neu soll nun nach dem Verursacherprinzip vorgegangen werden.

Oder aus einem Stelleninserat:

«Für unser Service-Team suchen wir: Servicetechniker für Heizungsanlagen. Anforderungen: Abschluss zum Feuerungsfachmann von Vorteil.»

Aufgrund der durchgehenden expliziten männlichen Formulierung stellt sich die Frage, ob im letzten Beispiel überhaupt vom generischen Maskulinum gesprochen werden kann oder ob nicht schlicht und einfach ausschliesslich Männer angesprochen werden. Es ist deshalb fraglich, ob sich eine gelernte Servicetechnikerin überhaupt auf ein solches Inserat bewerben würde.

Und genau das ist der Kritikpunkt der feministischen Sprachforschung am generischen Maskulinum: Denn zahlreiche Forschungen ergaben, dass sich Frauen weniger stark oder gar nicht angesprochen und mitgemeint fühlen, wenn ausschliesslich die männlichen Wortformen verwendet werden, und zwar unabhängig davon, ob im Singular oder im Plural. «Empirische Untersuchungen belegen, dass die Verwendung des sogenannten generischen Maskulinums auch heute die Vorstellung von Frauen als relevante Personen erschwert», sagt die Linguistin Gabriele Diewald im «Tagesspiegel».
Auch Männer denken übrigens seltener an Frauen, wenn in Texten das generische Maskulinum verwendet wird.

Die feministische Linguistik, die Wissenschaft also, die sich mit der Sprache und deren Gebrauch unter feministischer Perspektive beschäftigt, ist in den 70er-Jahren in den USA entstanden. Als Begründerin der deutschen feministischen Sprachwissenschaft gelten Luise F. Pusch und Senta Trömel-Plötz.
Um zu verhindern, dass sich Frauen sprachlich diskriminiert fühlen, werden seit mittlerweile 40 Jahren Alternativen zum generischen Maskulinum gesucht und vorgeschlagen.


Dass die Gesellschaft immer sensibler auf das Thema reagiert, zeigt die steigende Zahl von Sprachleitfäden zum Umfang mit geschlechtergerechter Sprache. Die Unesco veröffentlichte schon 1993 den Ratgeber «Eine Sprache für beide Geschlechter».
Das Sprachreglement für die Stadtverwaltung Zürich stammt von 1996. Der zwei Jahre später erstmals publizierte (und 2017 letztmals überarbeitete) Sprachleitfaden der Stadt Bern sorgte für Gesprächsstoff, Gespött und politische Diskussionen: So wollte etwa die FDP wissen, ob die «Herrengasse» etwa künftig unbenannt werden müsse. Der Bund folgte 2009 mit einem Leitfaden.

Heute thematisieren auch Firmen die geschlechtersensible Sprache in ihren Sprachleitfäden, die SBB etwa (2017) oder die Rückversicherungsgesellschaft Swiss Re (2019).

Konsequentes Nennen bei der Geschlechter

Ärztinnen und Ärzte, Lehrer und Lehrerinnen

Der Duden empfiehlt, das konsequente Benennen der weiblichen und männlichen Form systematisch anzuwenden, wenn es gut lesbar ist und nicht zu schwerfällig wirkt. Auch im Sprachleitbild der SBB wird diese Anwendung empfohlen.

Ob dabei «das Titanic-Prinzip» angewendet werden soll, wie es der Leitfaden der Uni Bern formuliert, also ob «Frauen und Kinder zuerst» genannt werden sollen oder nicht, ist umstritten: Dafür spricht die häufigere Benachteiligung der Frauen gegenüber der Männer, dagegen, dass Frauen durch diese Form als «schwaches Geschlecht» bestätigt werden.

Kritisiert wird an dieser Form, dass Texte, in denen konsequent beide Formen genannt werden, schwerfällig wirken. Zudem basiert das Modell auf der Vorstellung einer Zweigeschlechtlichkeit, mit dem sich längst nicht alle identifizieren können.

Neutralisierung und Abstraktion

Eine Abstraktion und Neutralisierung des Geschlechts ist auf verschiedene Art umsetzbar, etwa durch abstrakte Wörter, substantivierte Partizipien und Adjektive, alternative Pronomen oder Kollektivbezeichnungen.

Lernende, Studierende, Menschen, Leute, das Individuum, die Lehrkraft;Die Teilnahme statt die Teilnehmer;Alle, die dieses Programm nutzen statt  alle Nutzer dieses Programms:Es wird analysiert statt  Der Psychologe analysiert:Ärztlicher Rat statt  Rat des Arztes oder der Ärztin

Diese Form wird vom Duden empfohlen, sofern die Texte deswegen nicht zu umständlich wirken. Formulierungen dieser Art nehmen zu, auch in den Medien ist heute eher von «Lernenden» zu lesen als noch vor einigen Jahren.

Eigentlich sind Abstraktionen im Journalismus nicht beliebt:«Konkret ist besser als abstrakt», lautet ein ungeschriebenes Gesetz. Diesem Stil haftet ein beamtensprachlicher Charakter an, deshalb wird er in den einschlägigen Ratgebern auch für Verwaltungs-, Rechts- oder wissenschaftliche Texte emfohlen.

Weiter wird oft eingewendet, dass das nominalisierende Partizip I «Lernende» eigentlich bedeutet:«Menschen, die gerade am Lernen sind.» Luise F. Pusch hält diesem Argument wiederum die Substantive «der Vorsitzende» und «der Handlungsreisende» entgegen.

Schrägstrich

Advokat/innen oder Advokat/-innen

Duden bevorzugt die Schreibweise Advokat/-innen, da die Variante ohne den Bindestrich nicht korrekt sei. Unterscheidet sich der Wortstamm der weiblichen und männlichen Form (Anwalt/Anwältin), ist die Schrägstrich-Variante laut Duden nicht zulässig. Der Rat für deutsche Rechtschreibung bevorzugt andere Varianten, etwa das konsequente Nennen beider Geschlechter.

Die Schrägstrich-Form wird oft kritisiert, weil sie die weibliche Form als Anhängsel degradiere. Auch die mangelnde Lesbarkeit und die Annahme einer Zweigeschlechtlichkeit werden bemängelt.


Klammer

Maler(in)

Diese Form ist laut Duden zwar konform. In den Ratgebern wird aber meist vom Gebrauch abgeraten. «In Klammern steht üblicherweise das, was für das unmittelbare Verständnis nicht notwendig ist und deshalb auch weggelassen werden kann», heisst es etwa im Leitfaden der Universität Zürich. Klammern beziehen sich ebenfalls bloss auf zwei Geschlechter.

 
Binnen-I

PianistIn, BauarbeiterIn

Der Journalist Christoph Busch schlug das Binnen-I 1981 anstelle der Schrägstrich-Variante vor. Zwei Jahre später führte die linke Wochenzeitschrift WOZ unter der Mitarbeit von Luise F. Pusch diese Schreibweise ein und verwendet diese bis heute. Im Leitfaden der Uni Bern wird das Binnen-I als bevorzugte Variante empfohlen.

Der Duden hält das Binnen-I je nach Textsorte für praktisch, etwa bei Listen. Es müsse aber der Hinweis angebracht werden, dass die Orthografie nicht den amtlichen Regeln entspreche. Der Rat für deutsche Rechtschreibung dagegen empfiehlt, diese Form nicht zu verwenden.

Auch beim Binnen-I wird kritisiert, dass es auf der Vorstellung einer Zweigeschlechtlichkeit basiert. Ausserdem haftet dem Binnen-I nicht zuletzt durch die Verwendung in der WOZ ein «linkes» Ettikett an.


Grafik: bt/ml

Generisches Femininum

Um die Sprache endgültig gendergerecht zu machen, schlägt Luise F. Pusch ein Zweistufenmodell vor. Stufe Zwei liegt irgendwann in der Zukunft:Pusch stellt sich vor, dass die Vertreterinnen und Verteter der Geschlechter quasi am runden Tisch zusammensitzen und eine gerechte und bequeme Sprache aushandeln.

Bis es so weit ist, lautet Puschs bevorzugte Lösung: generisches Femininum. Also quasi die Umkehrung des heute meistverbreiteten generischen Maskulinums. «Nach tausendjähriger Diskriminierung könnte doch mal 50 Jahre lang das generische Femininum benutzt werden. Das Weibliche sollte in der Sprache sichtbar und betont werden, weil da so viel nachzuholen ist», sagt sie auf «jetzt.de».

Linguistisch wird argumentiert, dass in der weiblichen Form auch die männliche enthalten ist («Lehrerin» enthält «Lehrer»), was umgekehrt nicht der Fall ist.

In der Grundordnung der Universität Leipzig aus dem Jahr 2013 wurde das generische Femininum angewandt:

Zur Gewinnung von Lehrbeauftragten mit besonderen Befähigungen für eine Lehrtätigkeit kann die Rektorin auf Vorschlag der Fakultät an Gastdozentinnen die Bezeichnung «Gastprofessorin an der Universität Leipzig» für die Dauer der Tätigkeit verliehen.



Der Hauptkritikpunkt an allen obigen Formen ist, dass sie auf der Vorstellung einer Zweigeschlechtlichkeit basieren. Deshalb wurde weiter nach Lösungen gesucht:

Gendersternchen / Asterisk*

Wahrsager*innen, Maler*innen

Der typografische Stern heisst offiziell Asterisk oder Asteriskus. In Texten steht er für Fussnoten oder auch für Auslassungen, zum Beispiel bei Schimpfwörtern. In der Programmiersprache wiederum steht * für eine beliebige Anzahl von Zeichen in einem bestimmten Zusammenhang, nach denen gesucht werden kann. In der Gendersprache soll er noch stärker als der Unterstrich für alle möglichen Geschlechtspositionen stehen.

Für Verfechterinnen und Verfechter des Gendersternchens als ideales Mittel einer gendersensiblen Sprache symbolisieren die verschiedenen Strahlen eines Sterns die unterschiedlichen Geschlechteridentitäten.

Der Stern wird teils auch bei Wörtern gesetzt, die vermeindlich klar einem Geschlecht zuzuordnen sind wie Frau* oder Mann*. Dies um zu zeigen, dass die gesellschaftliche Vorstellung von «Frau» und «Mann» konstruiert ist, und dass das Selbstverständnis einer Person nicht unbedingt mit dem ihr bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht übereinstimmen muss.

Nicht alle mögen den Stern:Manche kritisieren das Zeichen als hässlich oder systemfremd. Luise F. Pusch spricht sich gegen dessen Verwendung aus. Sie findet, es habe die selbe Wirkung wie der Schrägstrich oder die Klammer;es degradiere die Frauen zur zweiten Wahl.

Weiter bringt Pusch das Argument der Menge ins Spiel: «Die sprachliche Diskriminierung von Frauen betrifft 52 Prozent der Bevölkerung, die Transgender-Community macht weit weniger als ein Prozent aus», sagt sie auf «jetzt.de». Dem widerspricht Sternchen-Befürworter Martin Reisigl: In der Schweiz würde schliesslich auch niemand behaupten, die rätoromanischen Idiome seien aufgrund ihrer Marginalität zu ignorieren.

Ein weiterer Kritikpunkt lautet, das Gendersternchen könne nicht ausgesprochen werden. Das gilt unterdessen aber als widerlegt. «Die Genderfrage ist in der Phonetik angekommen», schrieb Felix Stephan am 26. April auf «süddeutsche.de». Der Autor beschreibt, dass unabhängig davon, ob mit Bindestrich, Binnen-I oder Gendersternchen gegendert wird, immer öfter auch in der gesprochenen Sprache zum Ausdruck gebracht wird, nämlich mit einer kurzen Pause zwischen «Künstler» und «innen». In der Phonetik ist die Rede von einem stimmlosen glottalen Plosiv, Stephan schreibt etwas bildhafter von einem «kargen Kehllaut», den diese Lücke hervorrufe.


Gendergap

Der «Gendergap» oder die «Gender-Leerstelle» steht symbolisch für die verschiedenen Geschlechteridentitäten und wurde 2004 von Steffen Kitty Herrmann entwickelt.

Nicht nur Frauen und Männer sollen gemeint sein, sondern auch Menschen, die sich nicht in diese binäre Unterscheidung einordnen können oder wollen. Die entstandene Lücke zwischen den Worten ist deshalb bewusst gesetzt. In der Sozialwissenschaft wurde der Begriff bereits für die wirtschaftliche oder soziale Benachteiligung von Frauen verwendet.

In Gebrauch ist die statische Variante, bei dem der Unterstrich fix platziert wird:

Lastwagenfahrer_in; jede_r Lehrer_in

Weiter existiert eine dynamische Variante, welche die Unterscheidung zwischen zwei Geschlechtern noch deutlicher infrage stellen soll:

Die Tankw_artinnen sprechen über ih_ren Lohn

Kritiker des Unterstrichs finden, dieser symbolisiere ein «Nichts», weshalb er der Zweigeschlechtlichkeit nicht entgegentreten könne.



Die Vielfalt an sprachlichen Möglichkeiten und Neuerfindungen, um eine gerechte Sprache abzubilden, sind schier unendlich. Den folgenden Formen kommt (bislang) eher bloss eine marginale Bedeuung zu:

Trema ï

Felix Stephan schlägt im oben erwähnten Artikel eine eigene Lösung zur geschlechtergerechten Sprache vor, nämlich die Verwendung eines «i» mit zwei Punkten drauf, Trema genannt, wie es im Französischen verwendet wird. Er begründet dies einerseits linguistisch: Im Französischen wird das Trema verwendet, wenn zwei Vokale aufeinandertreffen, die nicht verschmolzen werden wie zum Beispiel im Wort «naïve» (anders als etwa «au» in «jaune»). Auch ästhetisch wäre es für den Autor ein Gewinn, wenn deutsche Wörter künftig einen «französischen Touch» erhielten:

Künstlerïnnen, Seglerïnnen


Das "i" mit einem Sternchen anstelle des I-Punkts


Das "i" mit einem Sternchen anstelle des i-Punkts ist weder auf den Tastaturen noch unter den Sonderzeichen zu finden. Die feministische Linguistin Luise F. Pusch, die sich gegen das Gendersternchen ausspricht, schlägt vor, das Gendersternchen anstelle des Pünktchens auf das «i» zu setzen. Dies trenne das Wort nicht so wie der gängigere Gebrauch des Sternchens. Das Fehlen des Zeichens in den Computern betrachtet Pusch nicht als ein Problem: «Wir haben auch das @-Zeichen irgendwann auf die Tastatur bekommen», schreibt sie. Als Übergangslösung schlägt Pusch die folgende Lösung vor:

Ausrufezeichen !

Linguist!nnen, Kaiser!nnen

Das Ausrufezeichen soll laut Luise F. Pusch das oben erwähnte «i» mit Sternchen drauf ersetzen, solange dieses auf den Tastaturen noch nicht existiert. Sie bezieht sich auf die Selbstbezeichnung der Sängerin «P!nk».

Doppelpunkt :

Schauspieler:innen

Auf wen das Gendern mit Doppelpunkt zurückgeht, kann nicht eindeutig geklärt werden. In der einschlägigen Literatur wird diese Variante meist nur «unter ferner liefen» erwähnt.


Grafik: bt/ml

X-Form / ex-Form

Die x-Form geht auf Lann Hornscheidt zurück. Hornscheidt möchte selbst keinem der beiden Geschlechter zugeordnet werden und entwickelte hierfür den Begriff «entzweigendernd». Die x-Form sei als Lösung und nicht als Forderung zu verstehen, und bei der Verwendung einer Sprachform seien stets Kontext und Adressaten zu beachten, sagt Hornscheidt im Bewusstsein, dass diese Art zu gendern nahezu unlesbar ist:

Einx gutx Lehrx beherrscht x Lehrstoff

Unterdessen verwendet Hornscheidt anstelle des «x» die Endung «ex», die für «Exit Gender» steht und somit für das Verlassen der Zweigeschlechtlichkeit.
Lann ist Lesex von vielen Romanen.

Die eigene Berufsbezeichnung von Hornscheidt lautet demzufolge nicht mehr Professx, sondern Profex.
Kritisiert wird nicht nur die Unleserlichkeit. Es heisst auch, die Form führe die jahrzehntelangen Bemühungen der feministischen Linguistik ad absurdum.

A-Form

Die A-Form, entwickelt von einer Arbeitsgruppe der Berliner Humboldt-Universität, geht einen Schritt weiter als das generische Femininum: Allen männlich konnotierten Wörtern, die auf «er» enden, wird anstelle dessen ein «a» angehängt, im Plural ein «as».

Richta, Bundeskanzla, Unsa Lautsprecha ist permanent auf Demos unterwegs. Ea erfreut sich hoher Beliebtheit.


Grafik: bt/ml

 
At-Zeichen @
Vom Spanischen inspiriert, wurde die Idee entwickelt, das aus der Programmiersprache bekannte At-Zeichen «@» anstelle eines «a» analog zur A-Form zu verwenden:

Salzstreu@, hum@n

Viele Kritiker der Gendersprache

Genauso alt wie die Vorschläge für eine gendergerechte Sprache ist auch die Kritik daran. Sprachtraditionalisten sehen entweder das Problem nicht, oder aber sie fürchten eine «Verhunzung»  oder Verkomplizierung der deutschen Sprache.
Am radikalsten zeigt sich der Widerstand in rechten Parteien: So spricht etwa die AfD von «Genderwahn» und will gar das Fach «Gender Studies» von den Universitäten verbannen. Im rechtskonservativ regierten Ungarn ist dieser Schritt bereits vollzogen worden.

Eine repräsentative Umfrage, die vom  Verein Deutsche Sprache in Auftrag gegeben wurde, ergab: Die meisten Deutschen sind nicht an einer Gendersprache interessiert. 80 Prozent der Befragten gaben an, privat keine solche Sprache zu verwenden, und fast gleich viele nutzen sie auch beruflich nicht.

Grosses Echo erzielte die im März dieses Jahres publizierte Petition «Schluss mit Gender-Unfug!». Die sogenannte Gendersprache beruhe auf einem Generalirrtum, weil kein fester Zusammenhang zwischen dem natürlichen und dem grammatikalischen Geschlecht bestehe. Formen wie «Studierende» seien schlichtweg lächerlich, geschweige denn die Verwendung des Gendersternchens. Ausserdem sei diese Sprache nicht durchzuhalten. Oder müsse der Bürgermeister bald in Bürgerinnen- und Bürgermeister umbenannt werden oder vom Christinnentum gesprochen werden?

Unter den Initianten befindet sich Wolf Schneider, einer der bekanntesten deutschen Journalisten, Autoren und Sprachkritiker. Die Liste der 100 Erstunterzeichner (sic!) umfasst ausschliesslich Akademikerinnen und Akademiker, auch Bastian Sick, der Retter des Genitivs in der deutschen Sprache, reiht sich in der Liste ein.

Nägel mit Köpfen machen könnte der Rat für deutsche Rechtschreibung, der das amtliche Regelwerk für die deutsche Rechtschreibung herausgibt, auf dessen Basis der Duden herausgegeben wird. Der Rat hat sich im letzten Jahr intensiv mit der Frage der geschlechtergerechten Schreibung befasst. Seine Kriterien dafür lauten:

Geschlechtergerechte Texte sollen sachlich korrekt, verständlich und lesbar sowie vorlesbar sein (letzteres mit Blick auf die Altersentwicklung der Bevölkerung und die Tendenz in den Medien, Texte in vorlesbarer Form zur Verfügung zu stellen). Weiter sollen Rechtssicherheit und Eindeutigkeit gewährleistet werden, die Texte sollen auf deutschsprachige Länder mit mehreren Amts- und Minderheitensprachen übertragbar sein und für die Lesenden oder Hörenden die Möglichkeit zur Konzentration auf die wesentlichen Sachverhalte und Kerninformationen sicherstellen.

Die «generelle Frage der Art und Weise der Verschriftlichung eines ‹dritten Geschlechts›» könne für den Rat nicht im Vordergrund stehen, «weil er dazu keine normgebende Kompetenz hat». – Dadurch wurde eine Entscheidung, ob das Gendersternchen oder Gendergap zulässig sind oder nicht, vorerst vertagt.

Wenn noch weitere Jahrzehnte mit einer Entscheidung zugewartet wird, erledigt sich das Problem vielleicht von allein: So besass auch das Altenglische einst drei Geschlechtsformen wie die deutschen «der», «die», «das». Diese sind im Laufe der Jahrhunderte allerdings ausgestorben und verschmolzen zur allumfassenden Form «the».
 

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