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Wortsalat

Steuern sparen 
mit falschen Kommata

Aus Österreich kommen sonst nur schlechte Nachrichten. Man hat dort mehr Lockdowns, mehr Kanzlerwechsel und mehr Weltcupsiege als in der Schweiz, und dann verwendet man auch noch Wörter wie «fesch».

Matthias 
Knecht, 
Sprachgourmand

Umso schöner ist es, dass unser östlicher Nachbar gerade einen visionären Vorschlag zur Rechtschreibung diskutiert: eine Sondersteuer auf überflüssige Satzzeichen. Sehr fesch!!!

Per Sondersteuer gesünder
leben liegt ja überhaupt im Trend. Eine höhere Tabaksteuer hält vom schädlichen Qualmen ab. Eine Zuckersteuer dämmt die schädliche Fettleibigkeit ein. Und Steuern auf 
Finanztransaktionen dämpfen schädliche Spekulationen. 
Warum also nicht per Steuer die deutsche Sprache vor Schaden bewahren?

In der Redaktion des BT etwa eliminieren wir pro Arbeitstag im Schnitt 87 überflüssige Kommata, 27 falsch gesetzte Ausrufezeichen und 18 Deppenapostrophen (Freude für’s Leben dank Grossmutter’s Stützs’trümpfen). So genau beziffern können wir dies dank unseres ausgeklügelten Redaktionssystems. Alleine der Steuerertrag aus unserer täglichen Satzzeichenbereinigung würde also Biels Stadtkasse entlasten; wobei die Abgabe selbstverständlich von den 
Urhebern der überflüssigen 
Zeichen zu leisten wäre und nicht etwa von der Redaktion.

Nebenbei: Der Plural von Komma lautet wirklich Kommata. Schuld daran sind nicht die Österreicher, sondern die Griechen. Mehr dazu ein andermal.

Wenden wir uns dem Hotspot anarchischer Zeichensetzung zu, also Facebook. Die Gruppe «Liebeserklärung an Biel/Bienne» hat alleine in ihrer offiziellen Selbstbeschreibung sechs Ausrufezeichen zu viel, während ein Komma fehlt. Bei den Posts geht es so weiter. Ähnlich die weiteren populären Seiten der Region: Online Flohmarkt Biel/Bienne, Du bisch vom Seeland, Spirit of Biel-Bienne. Bei einer Steuer auf alle Zeichenfehler dort wären Biels Finanzprobleme definitiv gelöst.

Verehrte Leserin, verehrter Leser: Wundern Sie sich bitte nicht, wenn sich Biels Finanz-
direktorin Silvia Steidle als aufmerksame BT-Leserin zeigt und Ihnen bald einen Steuerbescheid wegen inflationärer Zeichensetzung schickt! Sie hätten eben besser aufpassen müssen, was Sie auf Facebook schreiben.

Doch so weit ist es noch nicht. Oder wie der Österreicher sagt: Schmarrn mit Quastln. Die Idee zur Satzzeichensteuer kommt nämlich nicht von der Regierung. Dort ist man damit beschäftigt, den gerade aktuellen Bundeskanzler einzuarbeiten. Nein, der Vorschlag kommt von einer satirischen Facebookgruppe, dem österreichischen Chemtrailpilotenverband. Dieser hat zwar auch Fans in der Schweiz, ja sogar in der Chefredaktion des BT. Aber mehrheitsfähig ist er wohl nicht. Das heisst für Sie, liebes Publikum: Sie dürfen weiter Zeichen setzen, wie Sie wollen, ohne finanzielles Risiko.

Der vorliegende Text enthält acht überflüssige Satzzeichen. Solange wir das steuerfrei machen dürfen, bleiben diese auch stehen. Der Autor freut sich derweil diebisch über das Steuerzuckerl, das er mit diesem Beitrag erzielt hat!!!

Info: Matthias Knecht unterstützt das BT bei der Sprachpflege.


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