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Wortsalat

Super, so ein GAU: Grösster auszudenkender Unsinn

Gestern war es wieder auf der Frontseite des BT zu lesen: das Hin und Her um die Maske, die Argumente dafür säuberlich aufgelistet. Offen blieb, warum es nicht einfach Maskenpflicht heisst.

Bild: Matthias 
Knecht
, Sprachgourmand

Deren bürokratische Erweiterung zur Maskentragpflicht ist ein Beispiel für eine sinnlose Wortblähung. Und solche hat uns die Pandemie zuhauf gebracht. Der Berner Gesundheitsdirektion genügte es nicht, zu impfen, nein, sie hat geschäftig verimpft. Überhaupt reichen gegen so eine Pandemie nicht simple Coronaregeln, nein, es müssen mindestens Coronavirus-Schutzmassnahmen sein, die verfügt und verhängt werden. Auf deren Ende müssen wir jetzt nicht nur warten, wir müssen zuwarten. Was der Unterschied ist, bleibt abzuwarten.

Bald endet die amtliche Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung. Damit ist zwar die Sauerstoffzufuhr ins Sprachzentrum wieder hergestellt, doch werden uns wohl Bürokraten und Managerinnen weiterhin mit verbalen Blähungen vernebeln. Viele sind so alltäglich, dass sie uns fast nicht mehr auffallen. Da reicht es nicht, eine Erstattung vorzunehmen. Es muss schon eine Rückerstattung sein. Die Fassade wird zur Aussenfassade befördert, aus den Kosten werden Unkosten, und auch die neuen Rekorde haben sich gestern wieder ins Blatt gemogelt, an allen Kontrollen vorbei. Dabei haben selbst die Journalistinnen mit dem grössten Beziehungsnetz noch nie einen Menschen kennengelernt, der einen alten
Rekord aufgestellt hätte.

Das letzte Beispiel zeigt, wie einfach es ist, die heisse Luft herauszulassen. So wie es in der Pandemie einen Covid-Test gibt, so verfügen wir in der Textredaktion über den Blähungstest: Er besteht darin, das Gegenteil zu formulieren. Ergeben alte Rekorde keinen Sinn, müssen wir auch nicht von neuen sprechen. Weil es erstendlich nicht gibt, ist auch letztendlich Unsinn. Letztlich genügt. Nach derselben Methode befördern wir die proaktiv zusammenaddierte Zukunftsprognose in den Abfallkübel. Für eine Prognose reicht es, aktiv zu addieren. Dazu muss man nicht einmal Eigeninitiative zeigen.
Initiative reicht.

Was wir in der Redaktionsarbeit täglich machen, empfehle ich auch zur Anwendung im Alltag. Wer die Wortblähungen streicht, sagt nicht nur auf weniger Platz mehr aus. Er wird auch prägnanter und kommt darum besser an. Das gilt besonders, wenn es gelingt, die zusammengesetzten Wortgeschwulste zu streichen. Dazu gehören etwa das bedingungslose Pflichtbewusstsein, die marginalen Randerscheinungen oder die regelrechten Fundgruben. Auch hier schlägt der Blähungstest leuchtend rot an. Es genügt, von Pflichtbewusstsein, Randerscheinungen oder Fundgruben zu schreiben. Der Text wird durch solche Streichungen besser.

Und weil wir in der heutigen Ausgabe auch einen Text über Atomkraft haben, noch ein Warnhinweis zu einer weiteren, beliebten Wortblähung, dem Super-GAU. Was soll denn grösser sein als der grösste anzunehmende Unfall? Vielleicht steht GAU in Wirklichkeit für den grässlichsten anzuhörenden Unsinn. Letzterer ist grenzenlos – und damit super steigerbar. 

Info: Matthias Knecht unterstützt das BT bei der Sprachpflege.


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