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Alt und Jung

Trotzdem Weihnachtsfreude

Wir kennen Leute, sie haben viele Kinder im Alter von 5 bis 16 Jahren. Und diese Kinder haben gehört, dass derzeit viele Alte vereinsamen, weil sie keine Besuche mehr haben dürfen, und vielleicht selber nicht mehr ausgehen können, weil sie zum Beispiel einen Rollator haben.

Bild: Judith Giovannelli-Blocher

Wir kennen Leute, sie haben viele Kinder im Alter von 5 bis 16 Jahren. Und diese Kinder haben gehört, dass derzeit viele Alte vereinsamen, weil sie keine Besuche mehr haben dürfen, und vielleicht selber nicht mehr ausgehen können, weil sie zum Beispiel einen Rollator haben. Und weil diese Kinder gutartig sind und gerne helfen, haben sie für sich beschlossen, für Sergio und mich ein Weihnachtspaket zu schnüren. Und dann lag dieses Paket auf unserem Stubentisch. Obendrauf Briefmarken für 7.70 Franken.
Inwendig war das Paket mit unzähligen zerknüllten Seidenpapieren gepolstert und dazwischen kamen dann viele kleine Geschenke hervor, Dinge, die Freude machen, auch ohne etwas Weihnächtliches an sich zu haben. Es waren Dinge, die offensichtlich den Kindern gehört hatten, also Herzensdinge, die sie uns schenkten. Eine Zündholzschachtel mit extra langen Zündhölzern, ein ganz kleines Plastikbecherchen, das bepflanzt war mit ganz winzigen grünen Pflänzchen. Beim Auspacken waren sie zirka drei Zentimeter gross, heute sind sie schon doppelt so hoch. Und dann immer wieder Zeichnungen oder das, was die Kinder für eine Zeichnung halten, und dazwischen wieder Nüsse, Ingwer, Mandeln, Dörrfrüchte und alles mögliche, das wir gar nicht kennen.


Ich hörte beim Auspacken die Begeisterungsrufe der Kinder, die müssen im Moment, in dem sie das Paket schnürten, voll von ihrem Tun begeistert gewesen sein. Und die Eltern haben sie offensichtlich gewähren lassen, was für eine Gnade. Das Ganze ist ein gegenseitiges Vertrauenszeichen. Da muss man gar kein Geschenkpapier suchen. Es kommt einfach hinüber mit dem Ausdruck: Wir haben dich gern, du bist uns wichtig, wir sind für dich da.
Auf der Weihnachtskarte waren die Unterschriften der sieben Kinder. Es gab eine ohne Heiligenbilder, dafür hat es vorne drauf einen mächtigen Steinbock auf einer Bergspitze.


Plötzlich brachen Sergio und ich in ein Gelächter aus: die ganze Stube voll Papier und dazwischen diese kleinen Gaben. Und diese lösten in uns ein grosses Glück aus. Ich kann nur das sagen, denn das war einfach tief in uns, wir erlebten geradezu, wie diese Kinder im Zusammentragen dieser Geschenke glücklich waren. Es ist schwer, in Worte zu fassen, was in Sergio und mir vorging. Wir hatten gar nicht das Bedürfnis, den Kleinen sofort etwas zurückzuschenken. Wir waren einfach überwältigt von dem spontanen Schenkbedürfnis dieser Kinder. An Weihnachten steht eben die Welt Kopf, besonders das Irrsinns-Glück von Christi Geburt.
Wir stehen am Anfang eines neuen Jahres. Ich nehme die Weihnachtsfreude mit in das so ungewisse vor uns liegende neue Jahr. Möge es uns vergönnt sein, etwas von uns selbst anderen zu schenken, mit ihnen zu teilen. Wenn bloss viele das verbreiten würden, über die ganze Welt!


«Siehe, ich mache alles neu», heisst es irgendwo in der Bibel. Und genau das erleben wir jetzt. Wir wissen noch nicht, wie es weitergeht, aber alles lässt sich einfach im Moment mit dem Wort Freude beschreiben. «Fröhlich soll mein Herze springen», das ist der Anfang eines bekannten Weihnachtsliedes. Also: Ich wünsche allen einen fröhlichen Kehraus dieses widrigen Jahres.


Wir blicken auf ein Jahr zurück, das dominiert war vom Grauen über Taten unserer eigenen Spezies. Wohin mit diesem abgrundtiefen Hass? Nichts zu vergessen, dass es neben all dem Grauen auch das Gegenteil gibt: das Daran-Denken, das Sorge tragen, das Pflegen und Heilen, die Suche nach Gerechtigkeit und wärmender Liebe. Was wir tun können, sollten wir dringend tun. Und das Lachen über einander und uns selbst nicht vergessen. Die Herzen auftun können für das, was der Welt guttut.

Info: Die 88 Jahre alte Schriftstellerin Judith Giovannelli-Blocher lebt mit ihrem Mann in Biel. Sie beschäftigt sich seit Langem mit Altersfragen.


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