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Kinder

Wieso wir Märchen brauchen

In den nächsten Tagen kommt wieder einmal ein Märchen ins Kino: «Cinderella». Doch was wollen uns Märchen eigentlich sagen?

Disney bringt Aschenputtel zurück auf die grosse Leinwand, Bild: Disney/zvg

von Karoline Kallweit

In wenigen Tagen startet in den Kinos «Cinderella», Disneys neueste Märchen-Adaption. Und obwohl Aschenputtels Geschichte uns allen wohl bekannt ist, wird der Film viele Millionen Zuschauer vor die Leinwände locken. Auch andere Märchen-Interpretationen wie «Frozen» oder die Fernsehserie «Once Upon a Time» haben zahllose Fans. Kurzum: Märchen sind beliebter denn je.

Gleichzeitig wird jedoch heftig diskutiert, wie zeitgemäss und lehrreich sie eigentlich sind. Denn viele Eltern fürchten, dass sie zu gewalttätig, zu grausam sind. Wieso sollte man Kindern heute trotzdem noch Märchen erzählen?

«Es war einmal...»: Wohl jeder weiss, was auf diese magischen Worte folgt. Denn die Grimm’schen Märchen zählen zu den am weitest verbreiteten und am meisten übersetzten deutschen Büchern. Doch Jacob und Wilhelm Grimm sind nicht die eigentlichen Erfinder der Märchen.

In jeder Kultur

Märchen werden nämlich in jeder Kultur erzählt – und das seit Beginn unserer Zeitrechnung. Man sagt, dass in ihnen die Seele eines Volkes steckt. Dabei dienten Mythen und Sagen zunächst wahrscheinlich vor allem pädagogischen Zwecken sowie zur Überlieferung von Erfahrungen und Wissen. Sie halfen den Menschen – nicht nur Kindern, sondern auch Erwachsenen – Naturphänomene, wie Donner oder Feuer zu verstehen.

Es waren Frauen, die den Grimms vor rund 200 Jahren die alten Volksmärchen erzählten. Die Brüder erkannten schnell, welchen kulturellen Wert die Geschichten besassen – und auch, wie lehrreich sie waren. Ihre Märchensammlung verglichen sie daher auch mit einem Erziehungsbuch.

Märchen, das sind Geschichten über das Erwachsenwerden. Die Heldin oder der Held ist meist ein junger Erwachsener, der etwa das Elternhaus verlassen muss oder den Partner fürs Leben findet. Dabei erhalten die Figuren eine Art Unterweisung für das Leben und durchlaufen einen Reifungsprozess, der sie klüger und stärker macht. Kinder, die natürlich selbst möglichst schnell erwachsen werden wollen, finden in den Märchen ihre eigenen Erfahrungen und Wünsche aber auch Ängste wieder. Die Geschichten sind wie erzählte Träume, die die Realität nicht einfach nachzeichnen, sondern in denen es Hexen, sprechende Tiere und böse Stiefmütter gibt. In dieser Fantasiewelt können Mädchen und Jungen ihre Probleme verarbeiten.

Manchmal kann man deswegen auch erahnen, wieso ein Kind ein bestimmtes Märchen besonders mag. Mädchen, die sich oft mit ihrer Schwester streiten, können sich womöglich besonders gut in Aschenputtel oder die Goldmarie hineinversetzen.

Im Grunde hat jeder von uns ein Lieblingsmärchen. Und auch, wenn es uns nicht bewusst ist, so handeln wir doch oft wie dessen Figuren. Auf diese Weise werden Märchen zu bildhaften Erklärungen für unsere Lebenspläne.

Gut oder böse

Typisch für Märchen ist, dass die Figuren stark kontrastiert sind. Sie sind entweder gut oder böse; schön oder hässlich; reich oder arm. Viele Eltern finden dieses Weltbild zu engstirnig. Kinder sehen das jedoch ganz anders. Ihre Welt ist nämlich tatsächlich noch durch Schwarz-Weiss-Denken geprägt.

Auch die harten Strafen, die die Bösewichte am Ende vieler Märchen erfahren, empfinden Kinder nicht als grausam. Im Gegenteil. Es ist eine Genugtuung, wenn die Hexe am Ende von «Hänsel und Gretel» verbrennt und der Wolf in «Rotkäppchen» mit Steinen im Bauch zugrunde geht. Die Widersacher werden gebührend bestraft: Das gilt als Zeichen ausgleichender Gerechtigkeit.

Nur Mut

Für den Märchen-Helden wendet sich selbstverständlich in letzter Minute alles wieder zum Guten – und er lebt glücklich und zufrieden bis an sein Lebensende. Jungen Lesern gibt dies Hoffnung. Denn die Botschaft der Märchen lautet: Egal, wie schwer das Leben auch scheint, es lohnt sich, einen Ausweg zu suchen. Wer mutig ist, dem wird geholfen.

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