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Der Blick in Nachbars Garten

Während früher das eigene Einfamilienhaus etwas Aussergewöhnliches war, haben heute Herr und Frau Schweizer nicht selten das Zuhause im eigenen Garten. Und weil der eigene Garten und die Schweizer Kultur eben auch eigen sind, ist noch viel weniger selten die Hecke das höchste, was auf dem Grundstück steht.

Bild: zvg

von Daniela Jäggi

Der Traum vom eigenen Zuhause scheint im Genmaterial des Menschen fest verankert zu sein. Wenn man fragt, was jemand mit einem Lottogewinn machen würde, kommt als Antwort in der Regel zuerst das eigene Haus. Es sei denn, man hat schon eines. Aber dann könnte es ja immer noch ein grösseres Haus sein. Denn man sagt nicht vergeblich, dass man im Leben dreimal bauen sollte, um das nahezu perfekte Haus zu haben. Schliesslich verändert sich mit den Jahren der Geschmack genauso, wie man sich selber verändert. Und Anfängerfehler können auch erst mit der Routine ausgemerzt werden.

Eines scheint aber in der Regel konstant zu bleiben, ganz egal, wie oft man baut: Der interessierte Blick in Nachbars Garten. Die Grösse des Pools, das Design des Grills, die Höhe des Kirschbaums oder die Farbe der Gartenmöbel. Ist es aber Interesse oder Neid? Ich wage zu behaupten, dass es nicht selten mehr Neid als etwas anderes ist. Oder warum sind in den schönsten Villenquartieren die Gartenhecken so hoch, dass ein Blick auf das Haus unmöglich ist? Kein Mensch verbaut sich doch selber die Aussicht – es sei denn, er möchte sich vor den argwöhnischen Blicken der Nachbarn schützen. Nach dem Motto: Was der Nachbar nicht weiss, macht ihn nicht heiss!

Also, am einfachsten und schönsten wäre es ja, wenn man sich einfach mit den Nachbarn über deren Errungenschaften freuen könnte. Im Sommer gemeinsam den Grill anwerfen – im Winter zusammen im Fondue rühren. So einfach wäre es. Ja, ich habe das grosse Glück, dass das in unserem Quartier funktioniert. Aber ich weiss sehr wohl, dass wir da offenbar zu den Ausnahmen gehören.

Ich habe schon die wildesten Geschichten erzählt bekommen. Vom Hauseigentümer, der vor dem Poolbau eine Sichtschutzwand hochzog, um sich den neidischen Blicken der Nachbarn zu entziehen. Oder vom Ferrari-Besitzer, der sein Gefährt nur aus der Garage nimmt, wenn es Nacht wird. Tagsüber käme die Fahrt durchs Quartier einem Spiessrutenlauf gleich. Oder jene, die ihren Freisitz nicht nach der Abendsonne, sondern nach den Blicken der Nachbarn ausrichten – um bloss nicht beobachtet zu werden.

Ich stelle mir das unglaublich anstrengend vor, im eigenen Zuhause ständig Verstecken zu spielen – aber das scheint ein landläufiges Phänomen zu sein. Auf diese Weise geht den Ämtern und Friedensrichtern bestimmt niemals die Arbeit aus. Dabei gäbe es einen total einfachen Grundsatz, den ich schon als Kind gelernt habe:

Würde jeder vor seiner eigenen Türe kehren, wäre auch überall geputzt!

Ich wäre dafür, dass man einen Antineidimpfstoff entwickeln würde, der jeden Hauseigentümer vor argwöhnischen Blicken schützt. Gerade in der Schweiz würde dieses Produkt bestimmt reissenden Absatz finden.

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Zur Person
 
Die selbständige Unternehmerin Daniela Jäggi (48) wohnt mit ihrer Familie am Jurasüdfuss und ist als Bloggerin (www.modepraline.com) täglich im Netz präsent. Ihre pointierten Geschichten aus dem Alltag sind mal lustig, mal ironisch, mal bissig - aber immer mit einem Augenzwinkern. Im März 2015 hat sie ihr erstes Buch veröffentlicht (von süss bis ungeniessbar - der Blog, wie gedruckt). Dieses ist im Buchhandel erhältlich.

Stichwörter: Haushalt, Blog, Wohnen, Garten

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