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Hermrigen

Auf ruhigen Pferden durch das Seeland reiten

Wer das Grosse Moos einmal aus einer anderen Perspektive vom Pferd aus erleben möchte, ist mit einem Spazierritt auf den gutmütigen Kaltblutpferden von Franziska Steiger aus Hermrigen gut bedient: Der Reiter schaukelt gemächlich auf dem breiten Pferderücken durch die Landschaft.

«Blacky», der Noriker, ist die Ruhe selbst. Vor dem Ritt bekommt er sein Fell gebürstet und die Hufe gereinigt. Dann noch die Steigbügellänge einstellen und los gehts. Bild: Peter Samuel Jaggi
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Brigitte Jeckelmann

Franziska Steiger liebt Pferde, seit sie denken kann. Doch zum Reiten kam sie erst mit 40, durch ihren Sohn. Dann hat sie das Pferdefieber gepackt und nicht mehr losgelassen. Heute ist Franziska Steiger 66. Sie sagt: «Ich kann mir ein Leben ohne Pferde nicht mehr vorstellen.» Nachdem sie erst Freibergerpferde hielt – deshalb gab sie ihrem Hof den Namen Fribi-Ranch – begeisterte sie sich für Kaltblutpferde. Seit über zehn Jahren hält sie mehrere Belgische Kaltblüter, Ardenner, und einen Noriker. Das sind gebirgsgängige, mittelschwere Kaltblutpferde, ursprünglich in Österreich gezüchtet.
Auf ihren «Dicken» unternimmt Franziska Steiger gemütliche Ausritte in die Gegend rund um Hermrigen, im Grossen Moos. Zur Seite stehen ihr einige junge Reiterinnen, die ihr dabei helfen, die Tiere regelmässig zu bewegen. Daneben führen sie und ihre Helferinnen auch mal Touristen auf den Pferden an Ausritten durch die Landschaft.

 

Schwarze Schönheit
So auch mich an diesem sonnigen Vormittag. Franziska Steiger sattelt für mich «Blacky», den Noriker, das einzige schwarze Pferd unter den braunen Ardennern. Mit seiner dichten Mähne, den grossen, dunklen Augen und der weissen Blesse auf der Stirn ist er eine richtige Schönheit. Obwohl keine geübte Reiterin, fasse ich von Anfang an Vertrauen zu «Blacky». Ich montiere den Reithelm, stelle mich auf «Blackys» linke Seite, fasse mit der einen Hand in die Mähne, mit der anderen den Sattelzwiesel, stelle den linken Fuss in den Steigbügel und schwinge mich in den Sattel. «Blacky» bleibt brav stehen. Dann gehts los in Richtung Ebene. Die Pferde schreiten zügig, aber ruhig aus. «Blackys» Ohren sind gespitzt, er fühlt sich entspannt an und ich entspanne mich auch. Wir reiten ein schmales Strässchen hinunter, biegen rechts ab auf einen Feldweg und schon breitet sich die Weite um uns herum aus. Der Blick schweift über Hecken und Wiesen, Getreide- und Gemüsefelder. Auf einmal rennen zwei Rehe in einer Distanz von weniger als 50 Metern über ein Feld. Die beiden Tiere bleiben immer wieder stehen, blicken zurück und rennen weiter, bis sie unseren Blicken entschwunden sind. «Blacky» schreitet weiter ruhig voran. Der Reiter schaukelt auf dem breiten Rücken hin und her. Ich fühle mich sicher aufgehoben: Hinter dem Sattel wölbt sich «Blackys» Kruppe – so nennt man bei Pferden das Hinterteil – vor mir wölbt sich ein mächtiger Hals. «Blackys» innere Ruhe überträgt sich auf mich. Ich lasse ihn am langen Zügel gehen, der lose durchhängt. So kann man die Gegend ungestört bestaunen: Ebene, so weit das Auge reicht. Auf manchen Feldern arbeiten Bauern mit ihren Traktoren. Ein Heukreisler fährt nahe an uns vorbei. Die Maschine macht einigen Lärm. Doch die Pferde lässt dass unbeeindruckt. Sie wackeln nicht einmal mit den Ohren. Ich entspanne mich immer mehr.

 

Ruhiges Blut
Ihre Ruhe ist mit ein Grund, weshalb Franziska Steiger für Kaltblutpferde schwärmt: «Mein Ziel ist, mit den Tieren zusammen die Natur zu geniessen», sagt sie. Und dafür seien ihre Pferde «einfach sagenhaft». Woher die Bezeichnung Kaltblüter kommt, kann Christa Bühler vom Vorstand des Vereins Freunde Schwerer Zugpferde erklären: «Das kommt von ihrem ruhigen Gemüt», sagt sie, die selber einen Noriker hält und seit jeher Fan von schweren Pferden ist.
Kaltblutpferde sind gezüchtet für schwere Arbeiten in der Landwirtschaft, im Wald zum Holzrücken oder aber als Zugpferde. Manche Leute nennen sie auch «Brauereipferde». Noch heute haben Grossbrauereien wie etwa Feldschlösschen einige dieser imposanten Pferde im Stall und setzen sie ein bei Umzügen, Messen und anderen Festanlässen. «Die Gangart des Kaltblüters ist der Schritt», sagt Bühler. Ihr Körperbau und das ruhige Temperament seien ideal für lange, stetige aber ruhige Arbeiten, die viel Kraft erfordern. «Wer gerne in schnellen Gangarten wie Trab und Galopp reitet, für den ist ein Kaltblüter definitiv nicht das richtige Pferd», sagt Bühler. Für jene hingegen wie Franziska Steiger, die in gemächlichem Tempo durch die Natur schweifen möchten, seien sie dank ihrer Gemütlichkeit gut geeignet. Was aber nicht heissen solle, dass ein «Dicker» nicht auch erschrecken und bocken kann. «Doch der bleibt dann meistens lieber erst mal stehen, weil er weiss, dass davonrennen anstrengend ist», sagt Bühler und lacht. Man könne mit einem Kaltblut schon auch galoppieren, «aber nach hundert Metern kommt er dann doch arg ins Schnaufen», sagt sie.

 

Vielseitig nutzbar
Dennoch kann man einen Kaltblüter vielseitig nutzen. Für Samuel Schär vom Schweizer Nationalgestüt ist es eine Frage des richtigen Trainings: «Baut man einen Kaltblüter sorgfältig auf, kann man ihn sicherlich auch als Reitpferd einsetzen, allerdings begrenzt», sagt er. Turniererfolge in Spring- und Dressurprüfungen dürfe man nicht erwarten, «denn dafür sind sie einfach nicht gebaut». Für die verschiedenen Pferdesportdisziplinen kennt man das Vollblut- und das Halbblutpferd. «Ein Marathonläufer würde als Schwinger wohl kaum reüssieren und umgekehrt auch nicht», veranschaulicht Schär. Eine der Hauptaufgaben des Nationalgestüts ist die Erhaltung des Freibergerpferdes, einer ursprünglichen Schweizer Pferderasse, die ebenfalls zu den Kaltblütern gehört. Dafür hält das Gestüt Hengste, die es für die Zucht einsetzt. Der Freiberger ist heute laut Schär nicht mehr ein reines Arbeitspferd. Die Zucht habe sich in Richtung leichtes Kaltblutpferd entwickelt, das auch für die Sportreiterei geeignet sei.
Franziska Steiger aus Hermrigen indes hat andere Ambitionen. Für gemütliche Spazierritte in der Natur brauche sie keine Sportskanonen. Nach einer guten Stunde neigt sich unser Ausritt dem Ende zu. Nun geht es doch noch etwas zügiger voran. Denn «Blacky» hat bemerkt, dass es in Richtung Stall geht. Dort wartet eine gefüllte Futterkrippe auf ihn.

 

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Kaltblutpferde

- Viele verschiedene Rassen wie Shire Horses, Percheron, Ardenner, Schwarzwälder Kaltblut und weitere.

- Sie können bis über eine Tonne schwer werden.

- In der Schweiz gibt es mehrere Vereine und Interessengemeinschaften, die sich für das Kaltblutpferd und den Freiberger einsetzen. Interessierte finden dort Auskunft und Beratung.

Weitere Infos unter:

www.igarbeitspferde.ch

www.zugpferde.ch

www.harasnational.ch

www.arbeitspferde.ch

Stichwörter: Hermrigen, Pferde, Reiten

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