Sie sind hier

Abo

Grossaffoltern

Das Ende einer uralten Geschichte

Der jahrelange Streit um den Stygacher könnte bald ein Ende haben. Stimmt die Gemeindeversammlung 
einer Änderung des Baureglements zu, werden die Pläne von Gemeinde und Investor umgesetzt.

Bild: zvg

Simone Lippuner

In jedem Konflikt gibt es mindestens zwei Perspektiven. Betrifft dieser eine neue Überbauung in einem kleinen Dorf, prallen nicht Perspektiven, sondern Welten aufeinander. Stadt gegen Land. Wachstum versus Landschaftsschutz. Verdichtetes Bauen versus langsames Wachstum. Vor allem in diesem letzten Punkt liegt auf dem Stygacher in Grossaffoltern der Hund begraben. Dieses letzte grosse Stück Bauland liegt direkt am Dorfeingang an der Subergstrasse. Seit Jahren soll die Parzelle überbaut werden. Seit Jahren verhindern Gegner dieses Unterfangen.

«Die Geschichte ist uralt», sagt Gemeindepräsident Niklaus Marti (BDP). Der Stygacher ist seit den 1960er-Jahren offiziell Bauland. Doch die Besitzer haben nie gebaut. 2013 trat eine Überbauungsordnung in Kraft, der Stygacher wurde zur Zone mit Planungspflicht (ZPP), 2014 segnete das Amt für Gemeinden und Raumordnung dies ab. «Wer also bauen will, könnte sofort loslegen. Rechtlich ist alles abgesichert», sagt Marti. Das Problem: Die bewilligte Version sieht Einfamilienhäuser und Reihenhäuser vor. Die von Gemeinde und Investor gewünschte Version besteht aus Mehrfamilienhäusern mit total rund 50 Wohnungen. Dafür muss die ZPP geändert werden, heute, an der Gemeindeversammlung.

 

Nicht zeitgemäss

«Einfamilienhäuser sind heute einfach nicht mehr zeitgemäss», sagt Niklaus Marti. Diese letzte Parzelle solle gut ausgenutzt, sprich dicht überbaut werden. Eine Berner Firma arbeitete vor einigen Jahren ein erstes Projekt mit acht Mehrfamilienhäusern aus, insgesamt würden zwischen 50 und 60 Wohnungen entstehen. Dagegen gingen fünf Einsprachen von Anwohnern ein. Eine davon von Kurt Loder, Burger von Grossaffoltern und Eigentümer eines Zweifamilienhauses an der Subergstrasse, welches direkt an die neue Siedlung angrenzen würde. «Meine Liegenschaft wird zubetoniert, wenn das Projekt zustande kommt», sagte Loder bereits vor knapp zwei Jahren, gründete die IG Stygacher und versucht seither mit Gleichgesinnten, das Bauprojekt zu stoppen.

Das Projekt wurde nochmals überarbeitet. Diese neue Version sieht zwar neun statt acht Häuser vor, dafür sind sie im Perimeter so verschoben, dass niemandem die grandiose Aussicht auf den Jura verbaut wird, und auf der Seite von Loders Liegenschaft entsteht eine ganze Baureihe Abstand. Auch auf die Erschliessungsstrasse wird in dieser Variante verzichtet, dafür wird eine Einstellhalle gebaut. «Gewaltige Vorteile» habe dieses Projekt gegenüber der ursprünglichen Fassung mit den Einfamilienhäusern, findet Gemeindepräsident Marti. Doch Kurt Loder bleibt bei seiner Meinung: Das überarbeitete Projekt sei noch schlimmer: «Es ist viel zu gross für unser Dorf. Total überdimensioniert und unnötig.»

 

Wie im Ameisenhaufen

Eine solche Überbauung gehöre für ihn in ein städtisches Zentrum, sagt Kurt Loder. Die Infrastruktur, beispielsweise im Schulwesen, sei in Grossaffoltern zu wenig ausgebaut für eine solche Menge an Zuzügern. Man werde im Quartier so nah aufeinander sein wie auf einem Ameisenhaufen. «Statt nur an die Investorenseite und die Renditen zu denken, sollte besser nach Bedürfnis gebaut werden.» Schon ästhetisch würden Einfamilienhäuser besser ins Dorf passen, ist der Burger überzeugt. Er tut seinen Unmut auch in einem Inserat im Amtsanzeiger kund: Sieht so ein Dorfeingang aus? Überdimensionierte Bauten! Zusätzliches Verkehrsaufkommen! Mit diesen Schlagworten versucht die IG Stygacher, die Stimmbürger zu einem Nein zur Änderung des Baureglements zu bewegen.

Niklaus Marti spürt hinsichtlich der Gemeindeversammlung grosses Unbehagen im Dorf. «Die Leute meinen tatsächlich, sie könnten grundsätzlich verhindern, dass auf dem Stygacher gebaut wird, aber das ist nicht so.» Gebaut werde so oder so, es gehe lediglich um die Änderungen im Baureglement bezüglich Nutzungsmass und Erschliessung.

Die Stimmberechtigten könnten diese Änderungen zwar ablehnen, sagt Niklaus Marti. «Dann behält aber die alte Überbauungsordnung ihre Gültigkeit, und das ursprüngliche Projekt mit den Einfamilien- und Reihenhäusern kann trotzdem realisiert werden.»

Nachrichten zu Seeland »