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Wochenkommentar

Die Post muss weiter Service public bieten

Wollen wir wirklich eine Schweiz, deren Dörfer durch reines Wirtschaftlichkeitsdenken veröden? Unser Redaktor Beat Kuhn findet klare Worte im Wochenkommentar.

Ab Anfang 2017 Geschichte: die Poststelle von Ried. copyright: matthias käser/bieler tagblatt

von Beat Kuhn, Redaktor Region

Es ist ein Jammer: In unserem Land wird eine Poststelle nach der andern dichtgemacht. Auch in der Region wird das Filialnetz schleichend ausgedünnt: Im Zeitraum zwischen Januar 2011 und April 2016 ist die Zahl der Poststellen in den Verwaltungskreisen Biel und Seeland von 44 auf 33 gesunken. Innert fünf Jahren hat die Schweizerische Post also jede vierte Niederlassung hier geschlossen. Dieses Jahr sind Meinisberg, Seedorf, Leubringen und Ried dran. Zwar wird in allen vier Gemeinden eine Ersatzlösung geboten, nämlich eine Postagentur oder ein Hausservice. Aber keine Geiss schleckt es weg: Das ist immer nur ein halbbatziger Teilersatz.

Die Post selbst sieht das allerdings ganz anders. Sie bestreitet, dass ein Abbau vor sich geht, und spricht schönfärberisch von einem Umbau. Sie rechnet sogar anders, indem sie auch die Ersatzlösungen mitzählt, also Postagenturen, Hausservice, Pick-Post-Stellen und My-Post-24-Automaten. Und so wird aus dem Abbau von 44 auf 33 Postfilialen dann plötzlich eine Zunahme an «Serviceangeboten» von 67 auf 73. Die Bevölkerung in der Region lässt sich allerdings kein X für ein U vormachen. Bei einer Umfrage bestätigen alle Gemeindeschreiber aus Orten, aus denen die Poststelle verschwunden ist, dass damit ein schmerzlicher Verlust an Dienstleistungen verbunden war.

Insgesamt hat die Post in den letzten 15 Jahren nicht weniger als 1748 Poststellen geschlossen – und dies in einem Land mit knapp 2300 Gemeinden.

Betriebswirtschaftlich zahlen sich die Schliessungen und weitere Sparmassnahmen aus. So hat die Post 2015 einen Gewinn von 645 Millionen Franken eingefahren – 7 Millionen mehr als im Vorjahr. Und ihr aktuelles Eigenkapital beträgt 4,39 Milliarden Franken. Ob solcher Gewinne reibt man sich verwundert die Augen. Denn ehe die PTT (Post-, Telefon- und Telegrafenbetriebe) 1998 in die Schweizerische Post AG und die Swisscom AG aufgeteilt worden waren, hatten nur darum schwarze Zahlen geschrieben werden können, weil der defizitäre Postsektor durch den lukrativen Fernmeldesektor quersubventioniert worden war.

Rein wirtschaftlich macht die Post also alles richtig. Aber geht es bei ihr nur darum, dass die Zahlen stimmen? Aus der Sicht von Post-Verwaltungsratspräsident Peter Hasler offenbar schon. So sagt er süffig, es sei nicht «Kernaufgabe der Post, soziale Treffpunkte in abgelegenen Gemeinden zu betreiben» – als ob 1748 Poststellen in abgelegenen Gemeinden geschlossen worden wären. Ein gewisses wirtschaftliches Denken tut sicher auch der Post gut, die ja kein Monopol mehr hat und zudem neue Kundenbedürfnisse befriedigen muss. Aber auch wenn die Post heute eine Aktiengesellschaft ist, gehört sie doch immer noch zu 100 Prozent dem Bund, also uns allen. Wir Post-Aktionäre aber sollten uns fragen: Wollen wir wirklich eine Schweiz, deren Dörfer durch reines Wirtschaftlichkeitsdenken veröden? Wo nach dem Lädeli und der Beiz auch noch die Post verschwindet, so dass im Ort einzig noch die Durchfahrtsstrasse belebt ist? Eine Schweiz AG? Nein – es lebe der Service public!

E-Mail: bkuhn@bielertagblatt.ch

Kommentare

blaecki74

Ein Beispiel: Die Gemeinde Seedorf in den 6oiger Jahren gab es 1 Post 1 Polizeiposten verschiedene Einkaufs.Lädeli Heute mit über mehr als die Hälfte Einwohner verschwindet alles.


Georges

Ja, es lebe der Service public!


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