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Trockenheit

Landwirte müssen ihre Kulturen verkümmern lassen

Das Wasser wird knapp. Bauern kämpfen um ihre Ernten, Fische ums Überleben. Die Gemeinde Seedorf ruft nun den Wassernotstand aus – das Bewässerungsverbot könnte das Todesurteil für einige Kulturen sein.

Die Trockenperiode muss mit immenser Bewässerung kompensiert werden – in Seedorf ist dies nun verboten. copyright: matthias käser/bieler tagblatt

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von Esthy Rüdiger

Sollte es bis Ende Woche nicht regnen, gebe es eine Nullrunde, sagt Martin Uhlmann. Er meint damit den Ertrag seiner Karottenernte. Das Saatgut hat 3500 Franken gekostet, die Arbeit noch nicht eingerechnet. Und nun darf er sie nicht bewässern. Der Landwirt muss praktisch zusehen, wie seine Karotten vertrocknen.

Die Gemeinde Seedorf hat den Wassernotstand ausgerufen. Es ist ab sofort verboten, Wasser für den Garten, den Rasen, das Auto und die Schwimmbäder zu brauchen. «Wir bitten Sie, Trinkwasser nur noch für den täglichen Gebrauch zu verwenden», steht im Flugblatt, das gestern in sämtlichen Haushalten der Gemeinde lag. Eigentlich zu spät. «Das Schreiben hätte bereits am Freitag in den Briefkästen liegen sollen», sagt Gemeindepräsident Hanspeter Heimberg.

Die Lage ist prekär: Zwischen fünf Uhr abends bis Mitternacht werden in der Gemeinde 1500 Liter pro Minute verbraucht. Die Wassergewinnung aus der eigenen «Chuchibachquelle», woher das Dorf sämtliches Trinkwasser bezieht, beträgt aber inklusive Pumpen lediglich 900 Minutenliter. «Da fehlen jede Minute 600 Liter. Auch allfälliger Regen würde derzeit nur wenig an der Quellenschüttung verbessern», so Heimberg. Er betont, dass die Einschränkungen gering seien – im Hausgebrauch schränke man die Einwohner nicht ein.

Karotten droht Ernteausfall 

Anders sieht es für die Landwirte aus. Auch sie dürfen sich für die Bewässerung nicht mehr am Hydrantennetz bedienen. Einzig Wasser aus dem Bach dürfe verwendet werden, sofern die vorgeschriebene Restwassermenge gewährleistet bleibt. «Landwirte wird es leider sehr stark treffen», sagt Heimberg. Er weiss, dass dieser Entscheid für gewisse Kulturen das Todesurteil bedeutet.

Im Fall von Martin Uhlmann bedeutet es tatsächlich ein möglicher Ernteausfall bei den Karotten. Die Kultur ist zu weit vom Bach weg, als dass man alternativ von dort Wasser beziehen könnte. «Da bin ich natürlich vom Hydrantennetz abhängig.» Uhlmann zeigt aber durchaus Verständnis für die Gemeinde. Eine solche Entscheidung fälle man nicht zum Spass. Und es sei eine durchaus «feudale» Situation gewesen, Wasser vom Hydrantennetz beziehen zu können. Im Gegensatz zu den Karotten würden die Bohnenkulturen nicht gerade eingehen ohne Bewässerung. Nun könne man nur auf Regen hoffen. Uhlmann hat Verpflichtungen, unter anderem auch einen Vertrag gegenüber dem Abnehmer. Auf Entschädigung zu hoffen, sei aussichtslos.

«Tropfen auf heissen Stein» 

Auch abseits von Seedorf ist die Lage aufgrund der Trockenheit angespannt. Die Waldbrand-Gefahrenstufe stand am Freitag bei fünf, «sehr grosse Gefahr». Nach dem Wochenende bleibt das Naturgefahrenbulletin unverändert, trotz Niederschlägen. Von einer Entschärfung der Lage kann nicht die Rede sein.

Dies bestätigt auch Ernst Struchen von der Landwirtschaftlichen Organisation Seeland (LOS): «Der Regen war ein Tropfen auf den heissen Stein. Die Situation ist nach wie vor schwierig.» Der ausbleibende Regen könne an den meisten Orten mit Bewässerung kompensiert werden. «Auch wenn Regenwasser besser ist», so Struchen.

Nicht nur der fehlende Regen setzt den Kulturpflanzen zu. Die Temperaturen über 30 Grad täten ihnen nicht gut, so Uhlmann. Besonders für Kartoffeln seien die warmen Bodentemperaturen schädlich. Auswüchse und Wachstumsrisse sind die Folge. Es drohen allerorts grosse Ertragseinbussen auf die Ernte.

Christian Bucher von der Gemüseproduzenten-Vereinigung der Kantone Bern und Freiburg (GVBF) bestätigt: «Die Entlastung ist nicht gross, es hätte deutlich mehr Regen gebraucht.» Die Gemüsebauern im Grossen Moos hätten noch keinen Bewässerungsstop zu befürchten, so wie es derzeit im Kanton Freiburg der Fall ist. Im Einzugsgebiet der Biberen beispielsweise darf nur noch mit Ausnahmebewilligung bewässert werden.

«Die kurzen Schauer am Wochenende brachten zwar eine kurze Abkühlung», so Bucher, «aber genau so schnell heizte es auch wieder auf.» Unterdessen müsse genau so viel bewässert werden wie auch schon vor dem Wochenende. Für eine Entschärfung der Lage in der Landwirtschaft bräuchte es über einen grösseren Zeitraum um die 20 bis 30 Millimeter Wasser pro Tag.

Um die Nachfrage zu decken, müssen beispielsweise Blumenkohl und Eisbergsalat bereits importiert werden, wie die Nachrichtenagentur sda berichtet.

Fische vor Wärmetod gerettet

Die Trockenperiode ist aber nicht nur an Land spürbar, sondern auch in den Gewässern.

Besonders kleinere Bäche weisen eine stark erhöhte Temperatur und damit einen geringen Sauerstoffanteil auf. Für Fische wie die hierzulande verbreitete Bachforelle eine Bedrohung. So wurden bereits Fische aus kleinen Gewässern im Berner Jura und Neuenstadt gefischt und in grössere Gewässer gebracht, wie Radio Canal 3 berichtet. Die Lage habe sich seit dem Wochenende leicht gebessert, so Jörg Ramseier vom Fischereistützpunkt Ligerz. «Weiterhin kritisch ist die Lage aber in einigen Bächen in Lyss und Rapperswil. Wir hoffen stark auf Gewitter gegen Ende Woche.» Meistens seien die Niederschläge aber folglich so stark, dass es widerum nicht hilfreich ist. Es bedürfe gemässigten Regenfällen über eine längere Zeit – «eben wie in der Landwirtschaft», so Ramseier.

Die prekäre Situation war gestern Anlass für eine Sitzung in Bern. Das Amt für Wald, die Gebäudeversicherung und die Kantonspolizei berieten über das allfällige Verhängen eines Feuerverbots. Von diesem sieht man aber ab: «Wir apellieren weiterhin an die Eigenverantwortung», so Béatrice Meyer vom Regierungsstadthalteramt Biel.

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