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Serie Beziehungen

Sie wollen ihr Bestes geben, «bis zum allerletzten Tag»

Karin und Roland Züttel sind im Seeland weitherum bekannt. Das Wirtepaar schliesst nächsten Juni das gleichnamige Restaurant in Gerolfingen für immer und lässt so einen gewichtigen Teil seines Lebens hinter sich.

Copyright: Lee Knipp / Bieler Tagblatt
  • Dossier

Sarah Zurbuchen

«Wir machen alles zusammen, 365 Tage im Jahr.» Dieser Satz mag erstaunen, doch er kommt so zackig und überzeugend aus dem Mund von Karin Züttel, dass aufkommende Zweifel sofort im Keim erstickt werden. Im selben Moment klingelt das Telefon vor ihr auf dem Tisch, sie nimmt es und eilt kurz davon.

Karin Züttel und ihr Mann Roland betreiben das Restaurant Züttel in Gerolfingen seit 30 Jahren. Doch, und dabei schwingen sowohl Vorfreude als auch Wehmut mit, «nächsten Juni schliesst das Restaurant für immer», so der Koch und Geschäftsführer. Grund: Die gesamte Liegenschaft wird wegen baulicher Veränderungen an der Hauptstrasse abgerissen. Damit geht eine 90-jährige Ära zu Ende, denn das Ehepaar betreibt den Gasthof in dritter Generation. Eröffnet wurde das Restaurant 1931 und hiess damals «Zu den drei Schwänen». Später wurde es zum «Schwanen», doch im Volksmund sei man immer zum «Züttel» gegangen, steht im Jubiläumsblatt, welches das Wirtepaar 2006 herausgegeben hat. So wurde der alte Schwan an der Hausfassade im Jahr 2000 übermalt und der Gastbetrieb nun auch offiziell in «Züttel» umgetauft.

 

Bei der Arbeit kennengelernt

Kennengelernt haben sich Karin und Roland Züttel – wie könnte es anders sein – bei der Arbeit im Gasthof. Karin Jseli, wie sie ledig hiess, hatte dort ihre Lehre als Servicefachangestellte absolviert. Und so wurde aus den beiden auf privater und geschäftlicher Ebene ein unzertrennliches Team. Damit das funktioniere, so Roland Züttel, sei eine klare Aufteilung der Zuständigkeiten wichtig. Karin Züttel ist für den Service und die Gästebetreuung verantwortlich, während die Küche das Reich ihres Mannes ist.

Ein Gast kommt vorbei und legt ein grosszügiges Trinkgeld auf den Tisch. «Es war vorzüglich, wirklich sehr lecker.» Die Gastgeberin bedankt sich herzlich und verabschiedet den Mann, der gar nicht mehr aufhören will, zu schwärmen. Kein Wunder, Roland Züttel hat dem Restaurant mit seinen Kochkünsten bereits zu Gault-Millau-Punkten verholfen und wird auch im Guide Michelin aufgeführt: «Patron Roland Züttel kocht frisch und schmackhaft, traditionell, aber auch mit internationalen Einflüssen», steht dort. Bekannt ist seine Küche für die Fisch- und Meeresfrüchte-Gerichte.

 

Damit sich nichts anstaut

«Im Gastgewerbe wird es oft hektisch, und da kann es schon mal passieren, dass der Ton etwas grob wird», sagt Roland Züttel. Umso wichtiger sei es ihm und seiner Frau, abends noch rasch zusammen zu sitzen und den Tag Revue passieren zu lassen. «Sonst kann sich da was anstauen.» Gerade in den letzten Monaten sei die Komplexität der Gästebetreuung noch gestiegen. Karin Züttel erklärt, dass sie wegen der Sicherheitsmassnahmen bezüglich Corona organisatorisch enorm gefordert war. «Ich bin von morgens bis abends ausgelastet. Ausserdem haben viele Leute das Gefühl, dass wir nonstop verfügbar sein müssen.» Und, wie um das zu unterstreichen, klingelt bereits wieder das Telefon.

Doch das Wirtepaar nimmt sich trotz aller Hektik ganz bewusst Zeit für sich. Vielleicht ist gerade das ihr Geheimrezept. Mittwoch und Donnerstag ist der Betrieb geschlossen, das ist den beiden wichtig, bereits seine Eltern haben dies so gehandhabt. Während am Mittwoch oft noch organisatorische und bürokratische Dinge erledigt werden, gehört der Donnerstag ganz den Eheleuten. «Wir unternehmen meistens etwas zusammen», erzählt sie, ob dies nun ein Spaziergang, sei, eine Velotour oder ein feines Nachtessen. Letzteres werde sowieso immer zelebriert, «mit schönem Gedeck und einem Aperitif».

Auch Ferien planen sie gemeinsam, denn beide reisen leidenschaftlich gern. Und bei so einem intensiven Beruf, sagt Roland Züttel, sei ein regelmässiger Tapetenwechsel unabdingbar. Die Malediven haben es dem Paar besonders angetan. Und der Aufenthalt am und im Wasser. Beide haben das Tauchbrevet, ausserdem lieben sie es, unter und über Wasser zu fotografieren.

Doch das Ehepaar Züttel hat sich auch schon ganz andere Reiseziele wie Spitzbergen oder ein Bärentrekking auf Kamtschatka ausgesucht.

 

Edles Take-Away

Die Coronakrise bewältigt das Wirtepaar erstaunlich gut und ohne viel Federlesens. «Wir sind sehr vorsichtig, achten peinlich genau auf die Abstände und schützen Personal und Gäste», sagt er. Bereits drei Tage nach dem Beginn des Lockdowns im Frühling überraschte das Restaurant mit einer ungewöhnlichen Idee: Roland und Karin Züttel stampften ein Take-Away aus dem Boden, das es bis heute gibt. Allerdings keines, wie man es kennt, mit Fastfood oder einfachen Mahlzeiten. Nein, auf der Karte stehen Rindssteak, Beefsteak Tatar oder Mittelmeer-Calamaretti. Der Koch: «Das läuft sehr gut. Die Leute hatten ein grosses Bedürfnis, sich trotz Lockdown zwischendurch kulinarisch verwöhnen zu lassen.»

Bis zur Schliessung des Betriebs nächsten Juni will das Wirtepaar noch sein Bestes geben, «und zwar bis zum allerletzten Tag», wie er betont. Natürlich schwinge Abschiedsschmerz mit, schliesslich sei dies sein Elternhaus gewesen, sagt er. Doch das Paar ist auch erleichtert, es sei an der Zeit, sagen sie. An der Zeit, um sich ganz und gar auf das Privatleben zu konzentrieren. Und wie? «Zuerst einmal ausspannen.» Wie aufs Stichwort treten zwei Gäste an den Tisch und möchten eine Auskunft von Karin Züttel. Und sie weist niemanden ab, noch ist sie ganz in ihrer Rolle als Gastgeberin.

Doch spätestens in acht Monaten ist Schluss. Ganz sicher will das Paar seine Liebe zur Natur und zum Reisen in Zukunft pflegen. Der Lockdown, so Karin Züttel, habe einem doch gezeigt, worauf es ankommt. «Das hat unseren Kopf befreit, uns Lebensqualität zurückgegeben.» Sie habe plötzlich wieder Vögel pfeifen gehört und ein Buch lesen können. Ebenso naturverbunden ist ihr Mann. Er liebe den Wald, und «wie die Bäume miteinander kommunizieren». Eingesperrte Wildtiere sind ihm übrigens ein Gräuel. Beide schmunzeln über eine gemeinsame Erinnerung: In Thailand hatte er auf einem Markt etwa zehn in Käfigen gehaltene Schwalben gekauft und vor den staunenden Augen des Verkäufers noch an Ort und Stelle freigelassen.

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