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Twann

Temporeicher Läset mit perfekten Trauben

Martin Hubacher ist Ende August zum «Berner Winzer des Jahres» gekürt worden. Der Twanner hat den Titel jedoch kurzerhand in «Weingut des Jahres» umbenannt, denn ohne sein Team geht gar nichts. Das zeigt sich gerade beim Läset, der heuer besonders zackig abläuft.

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von Carmen Stalder

Der Wagen ruckelt über die Strasse. In einer Kurve drückt es die Frauen und Männer auf der Ladefläche nach rechts. Dann geht es steil den Rebberg hinauf, ein paar rutschen nach unten. Gelächter ertönt. Wer dem anderen zu nahe kommt, kriegt einen Kniff in die Seite. Die Stimmung erinnert an eine Klasse auf Schulreise – wären da nicht die vielen verschiedenen Sprachen, die durcheinander gesprochen werden.

Auf der Ladefläche sitzen Franzosen, Spanier, Portugiesen, je eine Frau aus Uruguay, Argentinien und Thailand sowie ein paar Schweizer. Schweissflecken zieren ihre T-Shirts, die Hände sind klebrig vom Traubensaft. Und sie alle sind nicht auf einem lustigen Ausflug, sondern auf dem Weg in die nächste Rebparzelle. Noch viele Kilogramm Trauben müssen heute von den Stöcken in den Keller in Twann gebracht werden.


Bis zu 60 Kilo auf dem Rücken

Am Bielersee ist der Läset in vollem Gange. Bei manchen Rebbauern neigt er sich gar bereits dem Ende zu. Denn wegen des heissen Sommers hat sich der Erntezeitpunkt erheblich nach vorne verschoben, beim Johanniterkeller von Martin Hubacher in Twann um ganze drei Wochen – so früh wie noch nie.

An diesem Nachmittag ist es in den Parzellen ob Wingreis so heiss wie an einem Hochsommertag. Die Erntehelfer kommen ordentlich ins Schwitzen: Die 16 Arbeiterinnen und Arbeiter, welche die Trauben schneiden, die drei Träger, die bis zu 60 Kilogramm Trauben schultern, der Fahrer, der unablässig zwischen den Reben und dem Weinkeller hin und her fährt. Keine Verschnaufpause gibt es auch für Michaela Gabriel, die Frau von Hubacher, die im Rebberg zum Rechten schaut.

Die Arbeit geht schnell voran in diesen Tagen, denn wegen der Wärme müssen die Trauben umgehend in den Keller zur Kühlung gebracht werden. Die Kühlaggregate der Tanks kommen an den Anschlag, «das habe ich so fast noch nie erlebt», sagt Hubacher und wirft einen Blick auf die Temperaturanzeige eines Stahltanks. An manchen Tagen war sein Team nur bis am Mittag in den Reben, danach wurden die Trauben zu warm. Bei den weissen Sorten beispielsweise sind bei der Ernte 13 bis 15 Grad optimal – Temperaturen, die derzeit nur in den frühen Morgenstunden vorherrschen.


Trauben sofort verarbeiten

Das Wetter treibt nicht nur die Stromkosten im Keller in die Höhe, es bringt auch ein weiteres Problem mit sich: Beim Schneiden der Trauben tritt stets etwas Saft aus, der sich in den Behältern sammelt. Die Mischung aus Wärme, wilden Hefen und Bakterien könne schnell eine unerwünschte Eigendynamik annehmen, erklärt Hubacher. «Deshalb müssen wir die Trauben sofort verarbeiten.»

Michaela Gabriel steht derweil in den Reben und dirigiert die Helfer zur richtigen Stelle. «Da habt ihr ein paar Trauben vergessen», ruft sie energisch. Ein gewisser Druck sei vorhanden, sagt sie, gehe es doch um den Jahresertrag, der wohlbehalten in den Keller gelangen muss. Ein Vorhaben, das nur dank des eingespielten und motivierten Teams möglich sei. Im Gegensatz zu anderen Betrieben arbeiten für den Johanniterkeller vor allem junge Helfer. Einmal im Jahr treffen sie sich in Twann, zelten im Garten des Winzerpaars und verbringen zusammen eine tolle Zeit.

So klingt es jedenfalls, wenn die 25-jährigen Portugiesen Adriano Fatal und João Costa von ihrem Einsatz sprechen. Die beiden studieren in ihrer Heimat ökologische Landwirtschaft und verbringen die Semesterferien auf verschiedenen Betrieben. «Das Team in Twann ist wie eine Familie», sagt Costa, der für den Läset sogar einen anderen Job abgesagt hat. Sein Studienfreund spricht gar von Ferien, für die man bezahlt werde. Der Lohn ist natürlich auch ein Grund, weshalb die jungen Männer gerne in die Schweiz kommen: Hier ist der Stundenlohn etwa dreimal höher als in Portugal.


Titel gilt dem ganzen Team

Auch der 19-jährige Gian Ballif aus Twann hilft seit Jahren beim Läset. Als Göttibub von Martin Hubacher ist er quasi mit dem Rebbau gross geworden. An der Arbeit in den Reben schätzt er neben der körperlichen Betätigung insbesondere den Austausch mit den jungen Helfern aus der ganzen Welt. «Wir sind ein cooles Team», sagt der kürzlich diplomierte Maturand.

Die Teamarbeit, das ist ein Thema, über das Martin Hubacher gerne spricht. Ende August ist er zum «Berner Winzer des Jahres» gekürt worden (das BT berichtete). Er bevorzugt jedoch die Bezeichnung «Berner Weingut des Jahres», denn den Titel will der bescheidene Winzer nicht für sich alleine beanspruchen. Er habe sich sehr über die Auszeichnung gefreut und dafür viele Gratulationen erhalten. Doch jetzt will er lieber über den Läset sprechen und von den Trauben, die dieses Jahr einfach perfekt seien: gross und süss und mit kaum einer faulen Beere.

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