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Neuer Studiengang

«Die Medizin der Zukunft ist digital»

Die Digitalisierung in der Medizin schreitet zügig voran. Die Berner Fachhochschule reagiert und ist mit einem neuen Studiengang am Start. «Digital Health» heisst die Verschmelzung von Informatik, Technik und Biomedizin.

Die digitale Begegnung in der Arztpraxis: Dank elektronischem Patientendossier sind nicht mehr immer gleiche Frage- und Erfassungsprozesse nötig. Bild: Keystone
  • Dossier

Janosch Szabo

Was Airbnb für die Hotellerie ist, Uber für die Taxibranche und Amazon für den Buchhandel, steht der Medizin noch bevor: eine tiefgreifende Umkrempelung der Branche aufgrund der technischen Entwicklung mit Internet und Digitalisierung. Da ist sich Daniel Zahnd, Studiengangleiter an der Berner Fachhochschule, sicher. Die aktuellen Entwicklungen in der Medizin deuteten klar daraufhin. Nun reagiert die BFH mit einem neuen Weiterbildungsangebot, das Zahnd am Standort Wankdorf entwickelt hat, um Fachkräfte für die Herausforderungen der digitalen Medizin der Zukunft zu rüsten. Losgehen soll es mit «Digital Health» Ende Oktober. Zahnd betont mit Stolz: «Es ist auf Masterstufe der einzige Studiengang seiner Art in der Schweiz.»

 

Hohe Ansprüche
Das Spezielle an diesem neuen Weiterbildungsprogramm ist, dass es Elemente aus den drei bestehenden Ausbildungsrichtungen Medizininformatik, Medizintechnik und Life Sciences, den Lebenswissenschaften, zusammen bringt, sich also an deren Schnittstellen ansiedelt. Die Grundidee dabei, so Zahnd: «Es braucht Leute in der Medizin, die von allen drei Gebieten etwas verstehen.» Das machten allein schon viele der heutigen Stellenausschreibungen in der Branche deutlich. «Traditionelle Expertenrollen werden in Frage gestellt und der Bedarf an technisch hoch kompetenten und gleichzeitig vernetzt denkenden Fachleuten steigt.» Die Ansprüche seien hoch, so der Studiengangleiter, der Leute ausbilden will, die nach Abschluss des MAS Digital Health leitende oder fachspezifische Aufgaben und komplexe Projektleitungen übernehmen. Er kann sich auch vorstellen, dass sie es sein werden, die dereinst die zukunftsträchtigen Modelle und die Technik dazu in der Medizin entwickeln. «Dazu gehören einfache telefonische Arztkonsultationen, aber auch der Einsatz von künstlicher Intelligenz, die Röntgenbilder beurteilt – in einigen Fällen besser als der Radiologe.»

 

«Demokratisierung» der Medizin
Aber das, so Zahnd, sei erst der Anfang. Er nimmt sein Handy aus der Tasche und legt es auf den Tisch: «In Zukunft passiert die Gesundheit auf dem Telefon.» Zahnd zeigt mit einer App sein aktuelles Elektrokardiogramm (EKG), das er selbst macht – nur mit Hilfe des Handys und eines kleinen Geräts für 150 Franken. «Kein Spielzeug übrigens, sondern als Diagnosegerät, das von der amerikanischen Behörde zugelassen wurde.» Dieses Beispiel zeigt einerseits die technische Entwicklung auf und andererseits die sich anbahnende «Demokratisierung» der Medizin, bei der die Patienten viel mehr Verantwortung für ihre Gesundheit erhalten, und über ihre Gesundheit und Krankheit selber entscheiden. Dieser Trend werde auch in der neuen Sendung des Schweizer Fernsehens «Ärzte gegen Internet» aufgenommen, wo Amateure mit Hilfe des Internets bei der Krankheitsdiagnose mit den Ärzten locker mithalten könnten. Vorbei sind die Zeiten der Medizin als Geheimwissenschaft, alles Wissen ist im Netz zugänglich. «Die Experten verlieren ihre Exklusivität», folgert Zahnd: «Trotzdem braucht es sie noch – aber reduziert auf ihre Kernaufgaben.»

 

Zugriff auf alle Gesundheitsdaten
Ein anderes Thema, auf das der neue Studiengang ausgerichtet ist, sind die regulatorischen Rahmenbedingungen im Gesundheitsbereich. Hier gibt es beispielsweise neue Vorschriften im Bereich der Zulassung und Überwachung von Medizintechnik-Produkten. Betroffen seien zunächst die Medizintechnik-Unternehmen, aber auch Spitäler und Ärzte, so Zahnd. Vermittelt wird das Know-How dazu im Modul Regulatory Affairs. Dieses ist eines der CAS (Certficate of Advanced Studies), die zum Kernprogramm des Masterlehrgangs Digital Health gehören. Ein anderes ist das Modul eHealth. Dort geht es um das ab 2020 obligatorische elektronische Patientendossier (EPDG), zu dem der Bundesrat 2017 ein entsprechendes Bundesgesetz verabschiedet hat. Noch sei alles im Umbruch, ganze Hausarztpraxen müssten – vorerst noch freiwillig – digitalisiert werden, die IT-Abteilungen der Spitäler stünden vor grossen Herausforderungen, sagt Zahnd: «Aber in ein paar Jahren ist das elektronische Patientendossier etwa so selbstverständlich wie das eBanking», ist er überzeugt. Jeder habe dann Zugriff auf seine Gesundheitsdaten, also auf Berichte, Labordaten und Medikamentenlisten, kurz auf all das, was im Moment noch bei Hausärzten, Spezialisten und im Spital verteilt abgelegt ist – grösstenteils in Papierform.

 

Heute suboptimal und ineffizient
Man merkt es gut: Zahnd freut sich auf die Zukunft, nicht zuletzt, weil ihm die aktuellen Abläufe in den Arztpraxen und Spitälern aufstossen. Er war als Qualitätsmanager im Inselspital selbst einige Jahre an der Front und hat «dem Drachen in den Schlund geschaut», wie er es ausdrückt. «Sehr vieles läuft suboptimal und ineffizient, auch wenn sich alle sehr Mühe geben, die Profis drehen sozusagen im Hamsterrad.» Man werde heute als Patient zum Beispiel immer wieder das Gleiche gefragt, obwohl mit einem elektronischen Patientendossier alle Angaben zu Allergien, Medikamenten und Präferenzen bei der Art der Behandlung auf einen Blick einsehbar wären. Aber eben: «Die Kultur ändert sich langsam, die Realität ist noch eine andere.»

Natürlich gibt es auch Pioniere, die sich den neuen Herausforderungen unverzüglich angenommen haben. Nach solchen hält Daniel Zahnd Ausschau. Via einen Zeitungsartikel ist er so auf ein Alters- und Pflegeheim aufmerksam geworden, das als eines der ersten das elektronische Patientendossier angepackt hat. Einer der dort Involvierten hat er kurzerhand für eine Vorlesung im Rahmen des MAS Digital Health engagiert.

Bald geht es nun los: «Ich habe ein gutes Gefühl», sagt Zahnd, «und dass wir an das Wesentliche gedacht haben.»

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