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Mord an der Armbanduhr

Uhren sind ein faszinierendes Wunderwerk der Technik und des Handwerks. Dass in der Region Biel so viele Uhren von Weltruf gefertigt werden, macht mich stolz. Ich liebe Uhren. Trage sie praktisch Tag und Nacht am Handgelenk.

Bild: Niklaus Baschung

Niklaus Baschung

Doch leider ist diese Liebe absolut einseitig. Innerhalb der letzten Jahre sind fünf verschiedene Swissmade-Uhren mitten am Tag oder in der Nacht einfach stehen geblieben, gnadenlos. Die Batterien waren noch nicht verbraucht, haben die Kontrollen anschliessend ergeben.

Diese Zeitmesser lassen mich regelmässig schmählich im Stich – das tut sehr weh. Bei der letzten Uhr wurde ich zumindest vorgewarnt: Der 
Sekundenzeiger drehte sich tagelang in stotternden Fünfsekunden-Schritten, so als stecke er im Todeskampf. Und eines Morgens tatsächlich: Exitus letalis totalis. War es gar Mord?

Denn manche Erklärungen aus dem Bekanntenkreis für mein permanentes Pech mit Armbanduhren sind sehr beunruhigend: «Vielleicht brauchst du mal ein Päuschen, musst zur Ruhe kommen, einen Schritt zurücktreten und alles geschehen lassen. Deine Uhr will dir sagen: Bleib stehen.»

Aber ich bin noch nicht so weit, um alles geschehen lassen, und das Wort «Päuschen» hasse ich extrem. Gibt es denn keine Alternativ-Diagnose?

«Die Uhr zeigt dir an, dass du in 
deiner Entwicklung stagnierst. Dein Körper ist wie ein Uhrwerk mit den Organen als Zahnräder. Eines deiner Organe braucht unbedingt deine Aufmerksamkeit.» Ja, merci schön – bald heisst es noch, ich hätte die Uhren aus Unachtsamkeit selber umgebracht!

Zum Glück gibt es noch andere Theorien. Vermutlich sind meine 
Uhren Opfer der Physik geworden. Unsere Körper können nämlich elektrisch aufgeladen sein – positiv oder negativ. Und wenn wir dann zum Beispiel aus dem Auto aussteigen wollen und den Türgriff anfassen, kommt es zu einer plötzlichen Entladung. Das muss der Grund für das Debakel sein: Ich rege mich gerade im Auto zu oft auf – ausser mir hat praktisch niemand mehr eine Ahnung von Autofahren – und die ganze aufgebaute Spannung entlädt sich dann in die Armbanduhr.

Unerklärliche Uhren-Stillstände wurden schon nach einer neuen Zahnfüllung mit Amalgam beobachtet. Allerdings habe ich gar kein Amalgam in den Zähnen. In den 
Mündern anderer Schweizer und Schweizerinnen hingegen laufen 
immer noch rund 10 000 Kilogramm Amalgam herum. Kann natürlich sein, dass meine Uhr bei einer freundschaftlichen Kuss-Begrüssung infiziert wurde.

Vielleicht während einem runden Geburtstagsfest mit zahlreichen Gästen – da kommt im höheren Alter viel verwittertes Amalgam zusammen. Und wenn dann die ganze Festgemeinschaft zusammen «Happy Birthday to you» singt, segnet meine Uhr geschockt das Zeitliche und gibt den Geist auf.

Zum nächsten Geburtstag wünsche ich mir übrigens eine neue Uhr. Aber «Happy Birthday» singen wir erst im nächsten Jahr – falls die Uhr dann noch läuft.

Info: Niklaus Baschung ist Journalist, 
Kommunikationsfachmann und 
Hundehalter. 


kontext@bielertagblatt.ch

 

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