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Nein, den Siegermuni werde er nicht nach Hause nehmen. «Dazu ist mein Balkon zu klein», sagte Christian Stucki und brachte die 10 500 Zuschauer zum Lachen. Dies könnte sich bald ändern, denn nun stehen nach dem 105. Kranzgewinn und dem 32. Kranzfestsieg vor allem private Schwerpunkte an. Stucki wird Ende Oktober zum zweiten Mal Vater, er wird zuvor seine Lebenspartnerin heiraten und er wird in Lyss ein Haus bauen. Mit viel Land rundherum, das mehr als einen Muni vertragen wird. Und wohl auch einen Schwingplatz, damit er die Trainings auch mit Sohn Xavier vor der Haustür absolvieren kann.
Zum gestrigen sportlichen Tag gibt es für die Auftritte von Stucki nur lobende Worte. Der Seeländer musste einige starke Schwinger aus dem Feld räumen und tat dies souverän, nie zögerlich, stets angriffslustig. Einmal mehr verstand es der Zwei-Meter-Mann, die Balance zwischen Lockerheit und Anspannung zu finden. Wer wenige Minuten vor einem Gang noch Autogramme gibt und sich für Selfies hinstellt, der hat genug Selbstvertrauen, um die sportliche Herausforderung anzunehmen. Stucki reiste die paar Kilometer als Kronfavorit an. Auch wenn der 31-Jährige auf der Schwägalp vor acht Tagen zwei Gestellte beklagt hatte: Schon da imponierte er mit seiner Spritzigkeit. Die bekam seine Gegnerschaft von Seedorf zu spüren. Am kürzesten war Adrian Schenkel auf den Beinen, nämlich nur etwa fünf Sekunden. «Es ist mir heute einfach gut gelaufen», blickte Stucki bescheiden zurück. Im Schlussgang hätte bei 1,25 Punkten Vorsprung ein Gestellter genügt und mit einer Niederlage wäre er noch immer als 1b-Klassierter dagestanden. «Ich wusste, dass ich auf einen Konter warten kann. Selber wollte ich nicht viel riskieren.» So dauerte der Gang über acht Minuten. Eine Schrecksekunde blieb: Stucki verdrehte sich kurz vor der Entscheidung beinahe das Knie. «Es zwickte plötzlich, aber zum Glück passierte nicht mehr.» Schliesslich wird sich Stucki nach zehn Saisonkränzen und vier Siegen noch als Sieger der Schwinger-Jahreswertung feiern lassen können. «Das ist ein Beweis dafür, dass Chrigu in diesem Jahr der beständigste Schwinger gewesen ist», hielt der verletzte Matthias Sempach fest. Er war für «Tele Bärn» während der Live-Berichterstattung als Experte geladen.
Noch drei weitere Kränze
Nun blickt Stucki, wie eingangs erwähnt, anderen Dingen entgegen. Auf das Schwingjahr 2016 angesprochen, steht das Eidgenössische von Estavayer mit Austragungsort auf dem Militärflugplatz in Payerne auch für ihn klar im Vordergrund. Es ist die letzte Chance, doch noch Schwingerkönig zu werden. Was meint Stucki? «Es beginnt alles wieder von vorne. Aber mit der Form von heute kann ich sicher noch einiges erreichen.» Am Eidgenössischen wollen auch die Kranzgewinner von gestern eine gute Figur abgeben: Dominic Bloch und Florian Gnägi stemmten ihren Verbandskollegen nach dem Schlussgang in die Höhe. Bloch holte den achten Saisonkranz. «Ich habe Angst, aus diesem Traum zu erwachen», sagte der Vinelzer. Er scheint das Erfolgsrezept nach seinem verpatzten Verletzungs-Jahr gefunden zu haben. «Ich ging ohne Ambitionen in die Saison und wollte einfach unbeschwert mein Bestes geben. Mein Selbstvertrauen wurde aber immer grösser.» Gestern habe ihm zu Beginn die Kraft gefehlt. «Vielleicht war ich etwas nervös.» Danach aber konnte er sich steigern.
Gnägi: Zwei Jubiläen
Keineswegs enttäuscht war Florian Gnägi, der Titelverteidiger. «Ich bin froh, den Kranz geholt zu haben. Es war nicht einfach. Auch als Sieger des Vorjahres nicht.» Der Lohn war ein Jubiläum: Zehn Saisonkränze, der 70. insgesamt. «Dass ich zehn Kränze in wenigen Monaten gewonnen habe, ist für mich eine Premiere.» Darauf darf der Aarberger zurecht stolz sein.
Zufrieden mit sich war auch der junge Dominik Roth, der schon auf dem Brünig und auf der Schwägalp angedeutet hatte, wozu er dank seiner Athletik fähig ist. Schliesslich holte er den ersten Kranz an einem Teilverbandsfest, seineb insgesamt neunten, fünf in dieser Saison. «Ich bin mehr als zufrieden und habe gute Leistungen abgeliefert.» Am Ende musste er gegen den Brünig-Sieger Bernhard Kämpf stellen, um sich das Eichenlaub zu sichern. «Es ist mein grösster Erfolg bei den Aktiven bis anhin und gibt mir für die Zukunft viel Selbstvertrauen.» Über die kommenden Monate wolle er, nach einer Pause, gut trainieren. «Jetzt gilt es, dieses Jahr zu bestätigen.» Oberstes Ziel sei die Qualifikation für das Eidgenössische Schwingfest Ende August. Sein Bruder Philipp schaffte es nicht ganz. Es fehlte ein Exploit, etwa im letzten Gang gegen Matthias Glarner. Mit dem Gestellten tat er nicht nur sich, sondern auch dem Oberländer keinen Gefallen. Der Bruder von Thun-Fussballer Stefan und Partner der Seeländerin Claudia Hediger strebte in Seedorf den 100. Kranz an. Im sechsten Gang schien der Gewinner der letzten drei Seeländischen nahe der Aufgabe zu sein. Seine Fingerblessur machte ihm offenbar mehr zu schaffen, als ihm lieb war. Neben Philipp Roth stellte er noch mit den Eidgenossen Christian Schuler und Hansruedi Lauper.
Insgesamt wurden 23 Kränze abgegeben. Von den acht Gästeschwingern kamen vier zu Ehren: Christoph Bieri, Christian Schuler, Remo Stalder und Andi Imhof. Sieben Kränze gingen ins Emmental, fünf ins Berner Oberland, vier ins Seeland, zwei ins Oberaargauische, einer ins Mittelland.
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Ellenbogen ausgerenkt und weiter gekämpft
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Notenblätter der Erstklassierten und der Seeländer
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