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Unterhaltung

Spielend echtes Geld verdienen

E-Sport ist ein neues Massenphänomen mit dem sich viel Geld verdienen lässt. Das wettkampforientierte Spielen am Bildschirm lässt bei erfolgreichen Teilnehmern die Kassen klingeln. Wie wurde diese noch sehr junge Sportart zu einer neuen Unterhaltungsindustrie und wie aktiv ist die Szene in der Schweiz? Das BT hat sich in der E-Sport-Welt umgehört.

Volle Halle in Berlin am WM-Finale zu "League of Legends", Bilder: Keystone
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Simon Dick

«Noch nicht», spricht ein junger Mann mit ruhiger Stimme ins Mikrofon. «Wartet», wiederholt er und bleibt ganz ruhig auf seinem Sitz. Seine Augen starren auf einen Monitor. Die restlichen Gruppenmitglieder neben ihm scheinen begierig auf sein Kommando zu warten. Alle sind bereit. «Jetzt!», schreit der Anführer und das Blitzgewitter auf den Monitoren beginnt. Die Finger huschen über die Tastaturen, das Publikum applaudiert lautstark. Moderatoren kommentieren das Geschehene mit viel Leidenschaft. Auf dem Bildschirm bekämpfen sich Fantasiefiguren. Sie werden einzeln von Menschen vor dem Computer gesteuert. Ein virtueller Wettkampf auf Leben und Tod erschüttert die grosse Halle. Gespielt wird «League of Legends». Das berühmte Computerspiel erlaubt es, dass sich viele Spieler in Echtzeit bekämpfen und Turniere online bestreiten können.

Nicht nur Sportspiele
Als E-Sport wird das wettkampforientierte Spielen auf einem Computer oder an einer Videospielkonsole bezeichnet. Dies geschieht, wenn sich mindestens zwei Personen direkt miteinander messen. Das «E» steht für «elektronisch». Dabei werden nicht nur Wettkämpfe in Sportspielen wie Fussball oder Eishockey ausgetragen. Auch andere Genre aus der Welt der Computer- und Videospiele dienen dazu, Wettkämpfe zu tätigen. Von zünftigen Ego-Shootern bis zu virtuellen Kampfspielen ist alles dabei, was das Wettkampfherz begehrt (siehe Zweittext unten).

Wenn sich viele Menschen für etwas begeistern können und viele dafür auch bereit sind Geld auszugeben, ist dies der perfekte Nährboden für eine neue Unterhaltungsindustrie. Doch das breite Interesse für den E-Sport musste sich erst noch etablieren. Der elektronische Sport entstand Ende der 90er-Jahre. Damals wurden die ersten Tourniere hauptsächlich über lokale Netze an sogenannten LAN-Partys durchgeführt. Die Anzahl der Aktivisten war damals noch sehr übersichtlich. Doch als die Verbreitung von Internet-Anschlüssen wuchs und es immer mehr Spiele gab, wo man sich online duellieren konnte, nahm auch die Zahl der professionell ausgetragenen Turniere zu.

Zuschauen statt spielen
Für die Zunahme der E-Sport-Beliebtheit war aber noch ein anderer Faktor wichtig: Die sogenannten Lets Plays. Dies sind Videos oder Livestreams auf Youtube und auf anderen Kanälen, die einen Spieler oder eine Spielerin zeigt, der oder die ein bestimmtes Videospiel spielt und dabei das Geschehene und Erlebte live kommentiert. Der Konsument eines solchen Inhalts wird zum Zuschauer. Das Prinzip ist dasselbe, wie wenn man die Schweizer Nationalmannschaft beim Fussballspiel vor dem Fernseher verfolgt. Man ist zwar aktiv nicht bei der Sache dabei, sprich man ist nicht auf dem Rasen oder hat einen Spielcontroller in den Händen, sondern sieht passiv einfach nur zu. Diese beliebten Lets Plays haben den E-Sport noch salonfähiger gemacht. Denn E-Sport besteht nicht nur aus den aktiven Spielern, sondern auch, wie in allen anderen Sportarten üblich, aus Zuschauern, die mitfiebern und ihr Team an einem Turnier kräftig anfeuern.

Fenster für die Schweizer Szene
E-Sport ist vor allem in Asien und Nordamerika sehr beliebt. Die Welle der Begeisterung ist aber mittlerweile auch in Europa sprich in der Schweiz spürbar. «MySports» bietet als erster Schweizer TV-Sender ein E-Sport-Format an, das einen regelmässigen Einblick in die Welt des elektronischen Sports bietet. Seit Ende Oktober gibt es dort «Arena eSports», eine halbstündige, britische Sendung mit News und Hintergründen zum Thema, die mit deutscher Synchronstimme gesendet wird.

UPC als Eigentümerin von «MySports» setzt sich intensiv für den E-Sport ein. Vor einem Jahr wurde die Plattform esports.ch lanciert, die mit Schweizer Fokus über den elektronischen Sport berichtet. «Unsere Website esports.ch steht als Fenster in den Schweizer E-Sport, etwa vergleichbar mit der TV-Sendung Sport Aktuell», so Michel Romang, Projekt- und Redaktionsleiter bei esports.ch. «Wir wollen den E-Sport in der Schweiz noch bekannter machen und dabei helfen, Stars zu etablieren», sagt Romang.

Männer dominieren
Die E-Sport-Szene wird momentan noch von den Männern dominiert. Es gibt zwar auch viele Frauen, die aktiv und leidenschaftlich E-Sport betreiben, aber sie sind klar in der Minderheit. Das ist eigentlich ein grosser Widerspruch, denn fast die Hälfte der Konsumenten von Video- und Computerspielen sind weltweit weiblich. Da im E-Sport aber der Wettkampf dominiert, könnte dies eine grosse Hemmschwelle sein, selber dort als Frau aktiv zu werden. Denn Frauen spielen im Durchschnitt in erster Linie lieber Rollen- und kurzweilige Handyspiele als Spiele, wo der Wettkampf im Fokus steht. So ist zumindest die  Buchautorin Sabine Hahn in ihrem Buch «Gender und Gaming: Frauen im Fokus der Games-Industrie» überzeugt (das BT berichtete).

EHC Biel beobachtet noch
Viele reale Sportclubs nehmen auch regelmässig an E-Sport-Turnieren teil und formieren eine Mannschaft (siehe Interview weiter unten). Der VfL Wolfsburg war der erste Fussballverein, der eine E-Sport-Abteilung ins Leben rief. Paris Saint-Germain oder der FC Schalke haben ebenfalls Teams geschaffen, die regelmässig an Turnieren teil nehmen.

In der Schweiz gibt es Fussballteams von FC Basel, FC St. Gallen, FC Aarau, FC Sion, Lausanne-Sport oder Servette Genf. Im digitalen Eishockey-Wettkampf läuft hingegen noch nicht viel. Aber auch der EHC Biel hat den E-Sport in seinem Blickfeld, will sich aber vorerst auf das Kerngeschäft konzentrieren. «Aktuell ist es für den EHC Biel kein Thema, eine E-Sport-Mannschaft aufzustellen. Dies hat insbesondere wirtschaftliche, aber auch logistische Gründe», so Daniel Villard, Geschäftsführer des EHCB. Das ist also kein definitives Nein. «Wir verfolgen die Entwicklung der E-Teams aber durchaus und werden zu gegebener Zeit die Situation neu beurteilen», so Villard weiter.

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Virtuelle Schwerter und digitale Fussbälle


Die Auswahl an Spielen, die man auch für E-Sport-Turniere verwenden kann, wird immer grösser. Fast alle grossen Hersteller aus der Branche sind sich der grossen Beliebtheit des E-Sports bewusst und denken bei der Entwicklung ihrer Titel daran. Das bedeutet, dass der Multiplayer-Part eines neuen Videospiels immer ausgefeilter wird, so dass sich verschiedene Spieler online an einem Wettkampf messen können.

In den letzten Jahren haben sich aber für die globalen Wettkämpfe bestimmte Spiele in den Fokus gedrängt, die die gesamte Aufmerksamkeit der Aktivisten aufsaugen. Es sind vor allem Echtzeit-Strategiespiele, Ego-Shooter und Sportsimulationen.

Der bekannteste Titel ist das Multiplayerspiel «League of Legends». Der Herausgeber Riot Games hat bei der Veröffentlichung im Jahr 2009 viel Geld für Werbung bezahlt, um dafür zu sorgen, dass dieses Spiel in der E-Sport-Szene platziert werden kann. Riot Games veranstaltet selber Turniere und spendiert auch das Preisgeld. 2012 konnte man beim Finale in Los Angeles bereits mit einem Preisgeld von zwei Millionen Dollar rechnen. «League of Legends» ist ein Rollen- und Strategiespiel, wo zwei Teams mit unterschiedlichen Charakteren gegeneinander antreten und sich in einer üppigen Fantasie-Welt bekämpfen. «Defense of the Ancients 2», «StarCraft» oder «Warcraft 3» sind weitere bekannte Echtzeitstrategiespiele, die an Turnieren gespielt werden.

Im Genre der Ego-Shooter gibt es hauptsächlich drei Spiele, die an Turnieren gespielt werden. Vor allem das berühmte «Counter-Strike: Global Offensive» wird für actionbasierte Wettkämpfe gebraucht. Taktische Fähigkeiten und schnelles Reaktionsvermögen sind hier sehr wichtig, um seine virtuelle Figur lebend aus der Arena zu bringen.

Nebst diesem Actiontitel wird auch der berühmte Science Fiction-Shooter «Halo» von Microsoft für virtuelle Wettkämpfe gebraucht. Der Actiontitel «Quake» war eines der ersten Spiele, das via Netzwerk gespielt wurde und verhalf der damals noch kleinen Szene zu mehr Bekanntheit.

Natürlich wird auch mit Sportsimulationen gespielt. Hier hat die Fussball-Spielreihe «FIFA» von EA Sports die Nase vorn. Der direkte Konkurrent Konami hat zwar mit der «Pro Evolution Soccer»-Reihe ein ähnliches Pferd im Stall, wird aber weniger an Tournieren gespielt. Beim virtuellen Fussball spielt meistens nur ein Spieler in Echtzeit gegen einen anderen. Beide übernehmen gleichzeitig die Rollen von allen Teammitgliedern auf dem virtuellen Rasen.

Dasselbe Prinzip gilt auch für die Eishockey-Versoftung «NHL», die jedoch noch nicht zu einem ähnlichen Massenphänomen wie beim Kollege Fussball werden konnte. Im Rennsport-Bereich gibt es ebenso viele Spiele, mit denen Wettkampf betrieben wird. Der virtuelle Rennsport konnte die grosse E-Sport-Masse aber noch nicht ganz erreichen. Der kleine Platzhirsch ist hier der Sony-Titel «Gran Turismo». sd

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«E-Sport ist Leidenschaft»


Vinzenz Kögler ist Präsident des Verbandes Swiss E-Sports Federation. Für ihn ist E-Sport nicht nur eine Freizeitbeschäftigung.

Vinzenz Kögler, Sie sind Präsent der Swiss E-Sports Federation (SeSF). Was macht der SeSF genau?
Vinzenz Kögler: Der SeSF versucht jene Funktion einzunehmen, welche auch in anderen Sportarten von den entsprechenden Verbänden geführt wird. Man Vertritt die Sportart und alle seine beteiligten nach aussen. Man definiert Standards und sucht nach Möglichkeiten, die Aktivitäten der Angehörigen in der Szene mit passenden Mitteln zu vereinfachen.

Wie hat sich die Szene in den letzten Jahren verändert?
Die Zahl von Organisationen und Events ist rasant angestiegen. Es gibt immer mehr Angebote für Spieler in der Schweiz und auch Sponsoren bringen sich immer grösser in der Szene ein. Eine der nennenswertesten Entwicklungen der letzten Jahre war aber sicherlich der Einstieg von Sportvereinen in den E-Sport.

Der FC Luzern musste aber sein Projekt stoppen. Warum ist es immer noch schwierig für Sportvereine im E-Sport-Bereich Fuss zu fassen?
E-Sport und Sport sind sehr unterschiedliche Themen. Das Publikum hat nur limitierte Kenntnisse aus dem traditionellen Sport. E-Sport und seine Teilnehmer haben ganz andere Interessen, sprechen auf ganz andere Dinge an, als es Fans des traditionellen Sports tun. Und das entsprechende Know-how müssen sich viele Vereine erst aneignen.

Was braucht es für Voraussetzungen, damit man E-Sport aktiv betreiben kann?
Ganz einfach gesagt braucht es lediglich eine Konsole oder einen PC, den passenden Controller und ein Spiel. Wann einfaches Gaming zu E-Sport wird, kann man nicht an klaren Kriterien festnageln. Grundsätzlich könnte man alles als E-Sport betrachten, wo man einen direkten oder indirekten Wettkampf gegen andere Spieler antritt.

Gibt es grosse Stars aus der Schweiz und können die davon leben?
Es hat einige. Einer von ihnen ist Mathieu Quiquerez. Er ist professioneller «Counter-Strike: Global Offensive»-Spieler für ein französisches Team. Er lebt aktuell in Norwegen und vom E-Sport.

Wie gross sehen Sie die Chancen, dass E-Sport ein Teil der Olympischen Spiele wird?
Die Chancen werden zusehends grösser. Ich bin davon überzeugt dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis auch Medaillen beim E-Sport vergeben werden. Manche Spiele werden da vielleicht früher zu dieser Ehre kommen als andere. Zum Beispiel  Sportsimulationen noch vor den simplen Actionspielen.

Was bedeutet E-Sport für Sie ganz persönlich?
E-Sport ist Leidenschaft. Leidenschaft für den Sport, für den Wettkampf, für die Menschen, welche sich in den unterschiedlichen Disziplinen messen. Natürlich ist es auch Unterhaltung und für viele vor allem ein Geschäft.         

Interview: Simon Dick

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