Sie sind hier

à Table

Die rote Oase

Heute in der Gastrokolumne: das Restaurant Odéon in Biel.

Das Odéon an der Bieler Bahnhofstrasse.bt/a

von Simone Tanner

«A l’Odéon tout est bon», steht in grossen Lettern über der Eingangstür. Es steht da schon seit 84 Jahren. An Selbstbewusstsein hat es den Betreibern des Odéon nie gemangelt. Ob die Parole im Gründungsjahr 1930 hielt, was sie versprach, ist nicht überliefert. Es ist zu vermuten. Und heute?

2013 wurde das Lokal vom Schweizer Heimatschutz geadelt und fand Eingang in das Büchlein «Die schönsten Cafés und Tea Rooms der Schweiz». Das nostalgische Art-Déco-Café mit seinen roten Samtsesseln und der Blumentapete verfügt über eine einmalige, sinnliche Ambiance. Man fühlt sich in dieser roten Oase zurückversetzt in die 1930er-Jahre.

Doch wie es sonst so um den Wahrheitsgehalt des Odéon-Mottos steht, haben wir mal wieder getestet. Grund dafür bot uns der Wechsel in der Küche. Seit Sommer ist Stefan Iseli der neue Chef de Cuisine, Sous-Chefin ist Sandra Jossi, gelernte Köchin und den Odéon-Gästen auch als Kellnerin bekannt. Glücklicherweise haben die zwei die Speisekarte nicht total umgekrempelt. Noch immer gibt es Wienerli mit Brot und Senf (8.50 Franken), Croque Monsieur (5.80 Franken) und lauwarmen Poulet-Curry-Salat (19.50 Franken). Das Angebot ist allerdings etwas grösser. Nach wie vor gibt Frankreich kulinarisch den Ton an, doch der Koch schielt nach Italien. Neu findet man auf der Karte drei Pastagerichte. Zum Beispiel hausgemachte Gnocchi an Tomatenwürfeln, Schalotten und Olivenöl (18.50 Franken). Da uns heute aber ganz französisch zumute ist, entscheiden wir uns für die beiden Klassiker Rindstatar (19.50 oder 27 Franken) und den Flusskrebsen-Cocktail (18.50 Franken), beides mit Toast und Butter serviert.

Die Kellnerin, die wie all ihre Kolleginnen mit dieser reizvollen Mischung aus Nonchalance und Herzlichkeit ans Werk geht, deckt den Tisch mit zwei weissen Papiersets, Stoffservietten und Besteck. Wir sinken tiefer in die Samtsessel und unser Gespräch und nippen an einem mineralischen Chasselas von Martin Hubacher aus Twann (5 Franken). Wenig später steht der schwarz gewandete Koch Stefan Iseli persönlich mit dem kleinen grünen Blattsalat (8.50 Franken) am Tisch. Für einen kurzen Moment dachten wir, Bligg sei uns in Biel erschienen. Der Salat, angerichtet in einem kleinen Suppenteller, sieht auch hübsch aus. Ohne Firlefanz, dafür mit einer rassigen französischen Sauce angemacht und bestreut mit frischem Schnittlauch, mundet er vorzüglich. So geht es auch weiter. Da man hier seit jeher Wert auf Ästhetik legt, sind auch die beiden Hauptspeisenteller eine Augenweide. Teller ist allerdings nicht ganz richtig, denn das Tatar und der Krebs-Cocktail werden auf einer kleinen Schiefer(?)platte serviert. Das rot glänzende rohe Fleisch-Rondell kommt auf Schwarz noch besser zur Geltung, flankiert wird es von einem Butterschälchen und orange-grüner Crudités als Deko. Es schmeckt, wie es aussieht. Gespickt mit der richtigen Menge an Kapern, Essiggurken und Zwiebeln ist das Tatar schön saftig und überzeugt durch eine angenehme Säure. Etwas mehr Pfeffer oder Tabasco hätte es vertragen, zumal die Kellnerin nach der gewünschten Schärfe gefragt hatte. Der Flusskrebs-Cocktail wird als «bon» bewertet, wie «tout» an diesem Donnerstagmittag. Man hatte es uns ja schon angekündigt.

Odéon Café – Bar – Restaurant Biel

Karte: klassisch-französische Brasserie-Karte, dazu Pastagerichte (auch vegetarische Varianten)

Preis: Vorspeisen und Snacks zwischen 7 und 20 Franken. Hauptgerichte bis 42 Franken (Rindsfiletmedaillon).

Ambiance: einmalige, gemütlich-nobel-nostalgische Ambiance in Art-Deco-Café mit roten Samtsesseln, Blumentapete. Wie anno 1930.

Kundschaft: Tout Bienne. Zeitungsleserinnen, Kaffeetrinker, Muschelesserinnen, Geschäftsleute, Frankophile, Hipster, Nostalgikerinnen.

Aufgefallen: Mit seinen Nischen wunderbar geeignet für ein Tête-à-tête.

Info: Odéon, Bahnhofstrasse 31, 2502 Biel. Tel. 032 323 48 48, www.odeon-bienne.ch. Öffnungszeiten: Mo bis Mi: 7 bis 23.30 Uhr, Do/Fr: 7 bis 0.30 Uhr, Sa: 8 bis 0.30 Uhr, So: 10 bis 18 Uhr.

Stichwörter: Odéon, Gastrokolumne

Nachrichten zu Essen und Trinken »