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Tradition

Tarte Tatin: Ein Kuchen
 steht Kopf

Sie gilt als wahrer Stern am Pariser Desserthimmel: Die Tarte Tatin, benannt nach zwei Schwestern, denen einst ein Missgeschick passierte. Bis heute wird das Traumdessert deshalb mit der Unterseite zuoberst gebacken und dann gestürzt.

Immer ein Hochgenuss: Die Tarte Tatin muss noch lauwarm auf den Tisch. Bild: zvg
  • Dossier

Margrit Mast Beyer

Die Tarte Tatin – in Paris auch «tarte du chef» oder «tarte des demoiselles Tatin» genannt, bezirzt mit frischen Äpfeln und ihrer köstlichen Caramelschicht. Der gestürzte Apfelkuchen aus Frankreich ist immer eine Versuchung wert. Das herrlich süsse, verkehrt herum gebackene Dessert ist wegen einer kleinen amourösen Verwirrung entstanden – so berichtet es die Anekdote. Die verkehrte Backmethode wird mittlerweile für viele Kuchen angewandt, auch für salzige Varianten. Eine Tarte Tatin muss ganz frisch auf den Tisch, noch lauwarm. So schmeckt sie am besten.

Teig vergessen
Heute noch steht im französischen Städtchen Lamotte-Beuvron, im Herzen Frankreichs, das kleine «Hôtel Tatin». Ende des 19. Jahrhunderts hatten es die Schwestern Caroline und Stéphanie Tatin von ihrem Vater übernommen. Sie beherbergten vor allem reiche Gäste aus Paris, die am Wochenende angereist kamen, um hier zu jagen.

Eines Tages, so erzählt man sich, geriet Stéphanie wegen der Redseligkeit eines besonders galanten Gastes derart in Verwirrung, dass sie vergass, Teig für ihren Kuchen auf das Blech zu legen, und Äpfel, Butter und Zucker direkt in die Backform gab. Sie hatte das Ganze bereits in den Ofen geschoben, als sie ihren Fehler bemerkte. Kurzerhand legte sie den vergessenen Teig dann einfach über die Äpfel. Vor dem Servieren stürzte sie den Kuchen umgekehrt auf die Platte und servierte ihn noch warm. Die verwöhnten Gäste staunten zwar über das ungewöhnliche Dessert, es schmeckte ihnen aber vorzüglich.

So die anekdotische Geschichte der Schwestern Tatin. Andere Quellen berichten, dass die Küche des Hotel Tatin gar keinen Backofen hatte, sondern dass auf dem Herd gebacken wurde: Man stellte die Kuchenform auf die Herdplatte und bedeckte sie mit einer Metallhaube. Wurde der Teig nun wie üblich direkt auf das Blech gelegt, brannte er schnell an; legte man jedoch die Äpfel zuerst auf die Backform und den Teig darüber, gab es keinen verbrannten Kuchenboden. Eine andere Variante ist: Den beiden älteren Damen soll beim Backen ein Apfelkuchen zu Boden gefallen sein. In ihrer Not bedeckten die Schwestern die wieder eingesammelten Äpfel mit frischem Teig und schoben ihn erneut in den Backofen, wo die Apfelstücke auf dem Blechboden schön karamellisierten.

Welche Entstehungsgeschichte auch stimmen mag: Die Zutaten, die einfache Zubereitung und die Tatsache, dass das Rezept selten in den grossen Patisserie-Rezeptbüchern zu finden ist, weist darauf hin, dass es ein Rezept aus der Bauernküche ist. Äpfel sind in dieser Gegend Frankreichs sehr verbreitet. Im Originalrezept braucht es süssen Mürbeteig (oder Blätterteig), Äpfel, Zucker, zerlassene Butter, Vanillezucker oder Zimt. Die Äpfel werden geschält und geviertelt. Der Boden der Kuchenform oder tiefen Springform wird mit den Apfelstücken belegt und mit der Butter sowie mit Zucker grosszügig bedeckt. Die Schichtung ist zu wiederholen, und die oberste Lage wird mit Butter begossen sowie mit Zucker und Vanillezucker oder Zimt bestreut. Dann stellt man die Form in den geheizten Ofen oder auf die heisse Herdplatte und wartet, bis der Zucker karamellisiert. Dann die Form wieder aus dem Ofen nehmen und den Teig über die Apfelmischung legen. Nach dem Backen legt man einen Teller auf die Form und stürzt den Kuchen darauf. Nun sind die Äpfel oben und der Teig unten.

Eine gute Wahl sind auch Birnen, da sie süsser sind und noch besser zur Caramelnote passen als Äpfel. Aber das ist Geschmackssache. Wichtig ist jedoch die Wahl der Kuchenform. Sie muss grosser Hitze widerstehen können, das Obst darf nicht an ihr kleben bleiben. Am besten nimmt man eine emaillierte Gussform (von Le Creuset oder Emile Henry), eine Tatin-Form aus Kupfer (sehr schwer zu bekommen) oder eine flammfeste Keramik-Form. Als passendes Getränk wird ein leichter Rotwein oder ein Apfelmost empfohlen. Kaffee oder Tee passen natürlich auch dazu. Den geschlagenen Rahm zur Tarte Tatin kann man mit dem Tessiner Baumnussliqueur Nocino oder Ratafià verfeinern, auch ein Calvados passt oder einfach Zimt. Darüber streut man gesalzenes Baumnusscroquant. Das macht richtig süchtig! Eine Vanilleglace passt auch gut und bildet einen schönen Kontrast zur noch warmen Tarte.

Der richtige Apfel
Dieses Dessert wird ein absoluter Hochgenuss, wenn man einige Tipps beachtet: Wer noch nie zuvor eine Tarte Tatin zubereitet hat, sollte einmal Probebacken, bevor der Kuchen Gästen serviert wird. Man muss ein Gefühl für die Konsistenz der Äpfel und des Caramelsirups entwickeln. Die Apfelsorte ist entscheidend für das Gelingen der Tarte. Am besten passt ein säuerlicher Boskop oder Elstar. Sie sind nicht zu wässrig und zerfallen nicht. Unbedingt empfehlenswert: eine Edelstahlpfanne mit dickem Boden (24 cm Ø) und zwei Griffen. Diese leitet die Hitze gleichmässig und man kann die Tarte leicht stürzen. Der Kuchen lässt sich auch vorbereiten. Die Form dann einfach in den Kühlschrank legen, beim Hauptgang im vorgeheizten Ofen backen und schwupp den Gästen zum Dessert servieren.

Eine Tarte Tatin kann man auch herzhaft mit frischen oder getrockneten Tomaten, Chicorée, Waldpilzen, gegrillten Auberginen und Pesto, mit roten Zwiebeln und vielem mehr realisieren. Als Teig passt dann nebst dem Blätterteig ein Parmesan-Mürbeteig.

Tarte Tatin mit Chicorée
Für 4 Personen:

- 5 Chicorée
- 80 g Butter
- 1 EL Rohrzucker
- frischer Thymian
- 50 g Parmesankäse
- Salz und Pfeffer
- 1 runder Blätterteig

Zubereitung:
Chicorée längs vierteln und mit der Hälfte der Butter bei niedriger Hitze anbraten, bis das Gemüse eine goldgelbe Farbe hat. Restliche Butter schmelzen, auf ein rundes Kuchenblech geben und mit Rohrzucker bestreuen. Chicorée rosettenartig in die Form legen und etwas auseinander drücken. Den Parmesan in dünne Scheiben schneiden und über den Chicorée geben. Mit frischem Thymian bestreuen und Salz und Pfeffer würzen. Blätterteig auf den Chicorée gleiten lasen, leicht andrücken. Im vorgeheizten Ofen (200°C) 20 Minuten backen. Teller auf den Kuchen legen, schnell umdrehen um die Tarte auf den Teller zu stürzen. mm

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