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Dok-Serie

Klappe: Auftritt Mann mit Hut und Mann mit Mantel

Mario Cortesi und Art Furrer sind beide über 80 Jahre alt, beide haben aus dem Nichts Dinge erschaffen und beide sind mitunter angeeckt. Gekannt haben sie sich bislang nicht wirklich. Höchste Zeit, dass die zwei Legenden aufeinandertreffen, findet «Telebielingue» und hat sie für eine Dok-Reihe zusammengebracht.

  • 1/7 Art Furrer und Mario Cortesi treffen sich vor der Kamera. Copyright: zvg/Lucas Seidler, Telebielingue
  • 2/7 Mario Cortesi und Art Furrer zeigen sich im Kino gegenseitig Momente aus ihrem Leben, die mit der Kamera festgehalten wurden – und werden dabei gefilmt. Copyright: zvg/Lucas Seidler, Telebielingue
  • 3/7 Die mehrteilige Dok-Serie «Treffen der Legenden» über wird im Verlauf des nächsten Jahres auf «Tebielingue» ausgestrahlt. Copyright: zvg/Lucas Seidler, Telebielingue
  • 4/7 Mario Cortesi hat sich der Nüchternheit verschrieben; dem Walliser Art Furrer ist sein Ballon am Vormittag heilig. Copyright: zvg/Lucas Seidler, Telebielingue
  • 5/7 Was Regisseurin Sophie Hostettler wohl diesmal von ihnen will? Art Furrer und Mario Cortesi bei den Dreharbeiten. Copyright: zvg/Lucas Seidler, Telebielingue
  • 6/7 Der «Verstehen Sie Spass»-Streich, bei dem Art Furrer sich als Skischüler ausgibt und mit vier Meter langen Skis in die Stunde kommt, ist legendär. Copyright: zvg/Lucas Seidler, Telebielingue
  • 7/7 Mario Cortesi schaffte mit dem «Biel Bienne» einen Gegenpol zum «Bieler Tagblatt». Copyright: zvg/Lucas Seidler, Telebielingue
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Mengia Spahr
 
Ein Walliser, ein Bieler. Ein Hut und ein Mantel. Ein Bergführer, Skiakrobat und Erbauer eines Hotelimperiums. Ein Journalist, Verleger, Autor und Filmemacher.
 
Art Furrer und Mario Cortesi sind zwei prominente Persönlichkeiten, die auf den ersten Blick wenig gemeinsam haben. Auf den zweiten Blick aber sieht man in ihren Lebensläufen viele Parallelen. Denn der Sohn italienischer Migranten und der Nachkomme armer Bergbauern haben das hingelegt, was man gemeinhin eine Tellerwäscherkarriere nennt.
 
Vor anderthalb Jahren schrieb der «Blick», dass man sich an Art Furrers Lebensgeschichte «schleunigst die Filmrechte sichern müsste». Nun ist ein Film in Produktion, aber kein Hollywood-Streifen, und er dreht sich auch nicht um Furrer alleine, sondern um ihn und Cortesi. Im Dokumentarfilm «Treffen der Legenden» spazieren die beiden durch die Bieler Altstadt, auf dem Riederhorn erklärt Furrer Cortesi seine Bindung zu den Bergen, und Cortesi zeigt Furrer in seiner Villa Rosa in Biel seine beeindruckende Autogrammsammlung.
 
Produziert wird der Film vom Lokalsender «Telebielingue». Die publizistische Leiterin der Gassmann-Medien, Sophie Hostettler, führt Regie, und Peter Rothenbühler, ehemaliger Chefredaktor der «Schweizer Illustrierte», führt als Erzähler und Interviewer durch die mehrteilige Doku-Serie.
 
Rothenbühler ist denn auch einer der Verbindungspunkte zwischen Cortesi und Furrer. Er hat im Büro Cortesi das Handwerk gelernt, dessen Gründungsmitglied und heutiger Geschäftsführer Mario Cortesi ist und das seit 1978 die wöchentlich erscheinende Gratiszeitung «Biel Bienne» herausgibt. Der People-Journalist kennt Art Furrer seit über 35Jahren. Er hat sich von ihm auf Viertausender führen lassen und ist ihm beim Verfassen seiner Biografien zur Seite gestanden.
 
Es besser als die anderen machen
 
Art Furrer wird am 24. Februar 1937 im Bergdorf Greich geboren, Mario Cortesi am 22. November 1940 in Biel. Furrer wächst in armen Verhältnissen auf, ohne fliessendes Wasser und ohne Strom. Sein Vater schlägt die Familie mit Wilderei durch und stirbt an einer Staublunge, als Furrer 13 Jahre alt ist.
 
Cortesis Vater ist Italiener, was den Sohn zum Aussenseiter in der Schule macht. Seine Reaktion darauf: Er will überall der Beste sein. In Interviews sagt er, er sei von Trotz getrieben gewesen, habe es den anderen zeigen wollen. Auch Art Furrer strebt nach Höherem. Er fährt gut Ski, kann sich aber nicht für die Olympischen Spiele 1960 qualifizieren und wandert daraufhin mit 36 Dollar nach Amerika aus.
 
Mario Cortesi schliesst die Handelsschule mit Bestnoten ab, findet aber keine Stelle und beginnt Filmkritiken für die «Seeländer Volkszeitung» zu schreiben. 1965 gründet er mit vier anderen ohne Startkapital das erste Pressebüro freischaffender Journalistinnen und Journalisten der Schweiz. In einem SRF-Interview sagt er Jahrzehnte später, dass das Büro Cortesi zehn Jahre brauchte, um aus den roten Zahlen zu kommen.
 
In den USA heuert Furrer als Skilehrer an und erlangt durch seine Skiakrobatik-Künste Berühmtheit. Er tritt im Fernsehen auf, unterrichtet Leonard Bernstein, «Playboy»-Gründer Hugh Hefner und die Kennedy-Familie. Auch Cortesi träumt ursprünglich von einer Karriere in den Vereinigten Staaten. 20-jährig will er nach Hollywood, doch einmal Journalist, bleibt er in Biel. Er erhält erste Preise für seine Amateur-Spielfilme und bald auch internationale Filmpreise. Als Herausgeber der zweisprachigen Wochenzeitung «Biel Bienne», Mitbegründer von «Telebielingue» und Teilhaber von Radio Canal 3 prägt er die Bieler Medienlandschaft.
 
Vier Meter lange Skis und ein Hut
 
1973 kehrt Furrer als reicher Mann in die Schweiz zurück, um  der Heimat ebenfalls seinen Stempel aufzudrücken: Auf der Riederalp baut er das Art Furrer Resort und schafft über die Jahre ein Hotelimperium. Er, der in Amerika gelernt hat, wie man es in grosse TV-Shows schafft, sucht das Rampenlicht. Der Hotelbesitzer wird zum Medienliebling und lernt Kurt Felix kennen, in dessen Sendung «Verstehen Sie Spass?» er als Lockvogel auftritt.
 
Bei einem der Streiche kommt Furrer mit vier Meter langen Skis in eine Skistunde. Er trägt einen Cowboyhut, der sein Markenzeichen werden soll. Fortan ist er der Mann mit Hut.
 
Ein Journalist, der immer gut angezogen ist
 
Cortesi wird als Dandy beschrieben. Sobald er es sich leisten kann, ist er immer tadellos angezogen, der Mann mit dem Mantel. Als Filmemacher knüpft er Kontakte zu berühmten Schauspielerinnen, trifft Charlie Chaplin, Jacques Tati und Robert De Niro. Er und Frank A. Meyer, der spätere publizistische Berater von Ringier, der seine Laufbahn ebenfalls im Büro Cortesi beginnt, laden Bundesräte zu sich ein. Die «Nonkonformisten-Treffen» mit berühmten Persönlichkeiten am Bielersee, die die beiden organisieren, sind legendär.
 
Im Interview betont Mario Cortesi, dass bei ihm nie illegale Substanzen im Spiel gewesen seien: «Ich musste nie Drogen nehmen, wie das viele Filmschaffende taten.» Er erzählt, wie ihm Alien-Vater Hansruedi Giger in Hollywood zum Kokain-Konsum animieren wollte, um die Müdigkeit nach dem langen Flug zu vertreiben. «Ich antwortete ihm, dass ich noch nie Drogen genommen habe und auch keine nehmen werde. Giger nahm eine Nase voll und war aufgestellt. Ich blieb halt müde.»
 
Ein gemeinsamer Sommer vor der Kamera
 
Gegen Drogenkonsum kämpfte Cortesi sein Leben lang. Als er für die Dreharbeiten des Dokumentarfilms mit Furrer den Bieler Stadtratssaal betritt, wo er als Mitglied der Bürgerinitiative «die Freien Bieler Bürger» ab 1973 vier Legislaturen politisierte, sagt er: «Wir sind das erste Parlament, das – auf meinen Vorstoss – rauchfrei wurde.»
 
Als er ausführen will, wie es dazu kam, unterbricht Regisseurin Sophie Hostettler: «Nicht über Politik sprechen. Erst wenn wir filmen!» Also üben sich die beiden über 80-jährigen Männer, die sich vor den Dreharbeiten kaum kannten, im Smalltalk. Art Furrer erzählt, dass viele seiner Verwandten aus dem Wallis in der Region Biel in der Uhrenindustrie arbeiteten. Sie sprechen ab, was sie sagen wollen, wenn die Kamera läuft und Furrer legt sich «einen lustigen Satz» zurecht.
 
Das war im Juli. Nun sind die meisten Sequenzen im Kasten. Das Resultat soll innerhalb der nächsten zwölf Monate ausgestrahlt werden und voraussichtlich drei Folgen umfassen. Dreimal rund 50 Minuten voller Rückblicke auf zwei turbulente Leben, Plaudereien aus dem Nähkästchen und Gedanken über den Nachlass zweier Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten und trotzdem viel gemeinsam haben.
 
 

«Nicht, dass ich morgen sterben möchte, aber ich wäre dazu bereit»

Wer auf über 80 Jahre Leben zurückblickt, muss sich im Alltag mit dem Älterwerden auseinandersetzen. Im Interview sprechen Mario Cortesi und Art Furrer über neue Vorsicht und eine Art von Altersmildheit, bei der das Rebellische erhalten bleibt.

 
Mario Cortesi, Art Furrer, Sie haben nun etliche Drehtage miteinander verbracht und auf Ihr Leben zurückgeblickt. Fühlt man sich alt, wenn man an diesem Punkt angelangt ist?
 
Mario Cortesi: Eigentlich nicht. Wir sind ja mit unserem Leben zufrieden. Ich habe erreicht, was ich wollte. Und die Arbeit geht weiter …
 
Art Furrer: Als Kind sass ich auf der Mauer vor meinem Haus und schaute ins Tal. Wir Armen da oben hatten kein Geld, im Flachland waren die Erfolgreichen. Ich sagte mir: Eines Tages will ich auch so leben wie die da unten. Das hat mich das ganze Leben lang begleitet. Ich sagte immer: Ich will es besser machen als die anderen. Nach diesem Grundsatz lebe ich immer noch. Ich gebe mich nicht einfach zufrieden und denke: Jetzt bin ich älter und ruhiger. Im Gegenteil – das Leben geht weiter! Man braucht immer eine Aufgabe. Ich hätte ja nie erwartet, dass wir mal noch so etwas machen wie diesen Film.
 
Spüren Sie das Alter trotzdem manchmal?
 
Furrer: Wenn jemand sagt, er spüre nichts, lügt er. Ich habe zum Beispiel Probleme mit den Augen. Und natürlich spürt man es bei körperlicher Anstrengung. Vor vier Jahren war ich auf dem Matterhorn, vor zwei auf dem Mont Blanc. Wenn man so etwas macht, merkt man, dass man älter wird. Gesundheitlich sind wir aber gut beieinander. Mario ist disziplinierter als ich, er trinkt nicht. Ich brauche jeden Vormittag meinen Ballon – im Wallis ist das Religion.
 
Cortesi: Alles wird langsamer. Man hat nicht mehr so viel Energie, geht nicht mehr so schnell, ist vorsichtig beim Treppensteigen. Wichtig ist, dass man selber einsieht, dass man nicht mehr alles mit jugendlicher Frische anpacken kann. Ich könnte nicht auf das Matterhorn steigen. Gut, das hätte ich auch mit 20 nicht gekonnt. Die Berge, die Art so liebt, sind mir zu majestätisch, ich habe zu viel Ehrfurcht. Ich habe in meinem ganzen Leben keinen Berg bestiegen, nur Hügel.
 
Furrer: Doch. Für den Dreh auf dem Riederhorn.
 
Cortesi: Ja, aber ich wurde mit dem Helikopter hochgeflogen.
 
Art Furrer, Sie sind gelaufen?
 
Cortesi: Ja, Art und seine Frau Gerlinde sind die 200 Höhenmeter gelaufen. Sie steigen da mehrmals im Monat hoch.
 
Furrer: Meine Frau ist eine Berggeiss. Ich war mit ihr auf allen 48 Viertausendern. Ich gehe jeden Tag, immer aufwärts – für die Kondition. Man braucht Ziele im Alter. Keine übertriebenen. Als Bergsteiger wusste ich auch immer schon, wann ich aufhören muss.
 
Art Furrer ist am Berg manchmal umgekehrt. Gibt es Projekte, bei denen Sie kapitulierten, Mario Cortesi?

Cortesi: Ich realisierte oft erst im Nachhinein, dass ein Projekt zu gefährlich war. Beim Drogenfilm «The World is Yours» etwa sind wir zu viel Risiko eingegangen. Wir bauten in Peru ein Drogenlabor nach, das wir in drei Schritten in die Luft jagen wollten. Dann sollten Regierungstruppen und Laborbetreiber aufeinander schiessen. Doch das Labor ging gleich beim ersten Schritt hoch. Ich sagte sofort: «Los, laufen und schiessen!» 50 Statisten rannten mit Gewehren aufeinander zu. Das Problem war, dass wir richtige Munition benutzten, weil es in Peru keine blinde gab. Glücklicherweise schossen alle daneben. Später fragte ich mich unter Schock, was ich bloss gemacht hatte.
 
Das klingt wild.

Cortesi: Beim selben Film gab es noch einen anderen kritischen Moment. In einer Szene wird ein gefangener Dealer an ein Kreuz gebunden und sechs Soldaten schiessen auf eine Zielscheibe auf seinem Rücken. Das wird so gemacht, damit keiner der Soldaten weiss, wer ihn getötet hat. Wir wollten in einem Gefängnishof im Urwald von Peru drehen und fragten den Direktor, ob wir einen seiner Gefangenen oder Angestellten als Statisten einsetzen dürften. Der Direktor musste das zuerst mit seinen Vorgesetzten abklären. Am nächsten Tag sagte er uns frohgemut, dass er die Bewilligung habe. Wir sollten einen der sowieso todgeweihten Inhaftierten auswählen – zum Erschiessen. Ich versuchte ihm klar zu machen, dass das ein Missverständnis sei, dass wir die Szene nur spielen wollten, aber er hatte Angst, sein Gesicht bei den Vorgesetzten in Lima zu verlieren und war fast nicht mehr von einer tatsächlichen Erschiessung abzubringen. Wenn das passiert wäre, wäre meine Filmkarriere zu Ende gewesen. So musste ich erfahren, dass dort ein Leben tatsächlich nichts wert ist.
 
Sie beide haben aus dem Nichts Dinge erschaffen: Ein Hotelimperium, ein Medienbüro … Denken Sie, es wäre schwieriger, etwas aufzubauen, wenn Sie heute jung wären?

Furrer: Ich war immer im richtigen Moment am richtigen Ort. Mit der Skiakrobatik war ich ganz am Anfang dabei, als es die Disziplin noch gar nicht gab. Jetzt könnte man das in dem Stil nicht mehr machen. In der heutigen Zeit, in der die ganze Kommunikation so ausgebaut ist, gibt es aber neue Möglichkeiten. Man muss einfach die Nischen finden. Nur geht alles so schnell: Man kann schnell berühmt werden, aber genauso schnell ist man wieder vergessen. Früher war das anders. Die Methoden, die wir hatten, um Bekanntheit zu erlangen, funktionieren nicht mehr.
 
Cortesi: Ich glaube nicht, dass ich heute noch machen könnte, was ich in den letzten 50 Jahren gemacht habe. Das erste Medienbüro der Schweiz zu gründen, die erste zweisprachige Zeitung auf die Beine zu stellen. Das alles wäre nicht mehr möglich, in einer Zeit, in der Printprodukte ums Überleben kämpfen. Klar gibt es die neuen Möglichkeiten des digitalen Zeitalters, aber vielleicht hätte ich dafür nicht mehr das Verständnis. Die Zeit, in der ich Erfolg hatte, ist vorbei.
 
Welche der Spuren, die Sie auf dieser Welt hinterlassen werden, haben für Sie einen besonderen Stellenwert?

Cortesi: Ich habe einen Film über das Rauchen gemacht, der noch heute nachwirkt: «Der Duft der grossen weiten Welt». Noch immer werde ich oft darauf angesprochen. Auf dem Riederhorn sagte mir ein Mann, dass er dank mir nicht rauche. 70 Millionen Menschen haben in Europa den Film gesehen, in den Schweizer Schulen lief er jeden Tag während 20 Jahren. So haben wir Zehntausende von Schülerinnen und Schüler vom Rauchen abgehalten. Weitere Zehntausende Fernsehzuschauer haben wegen des Filmes aufgehört. Das ist für mich das Wichtigste, das ich im Leben für die Mitmenschen erreicht habe.
 
Furrer: Ich bin stolz darauf, dass ich in Amerika durch meine Skiakrobatik berühmt wurde, auch auf das Bergsteigen bin ich stolz. Und natürlich bin ich stolz, dass meine Ehe hielt. Eine Ehe beginnt immer so romantisch, dann macht sie einen Halbkreis. In der Mitte des Lebens, als man geschäftete, wussten die Sekretärinnen mehr als die Ehefrau. An diesem Punkt ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass die Ehe reisst. Ich hatte wahnsinnig Glück, dass sie nicht kaputt ging. Geregelt hat das zu 80 Prozent meine Frau. Dann geht der Bogen zurück. Je älter man wird, desto besser hält man zusammen und schaut zueinander.
 
Mario Cortesi, Sie waren nie verheiratet.
 
Cortesi: Ja, das ist bei mir vielleicht merkwürdig: Ich habe keine Familie, keine Nachkommen. Die Arbeit war mein ganzes Leben. Ich konnte mich durch sie verwirklichen.
 
Sie bereuen es also nicht, so viel gearbeitet zu haben? Man hört ja oft das Gegenteil …
 
Cortesi: Ich hatte natürlich einen unglaublich guten und abwechslungsreichen Beruf als Journalist, Moderator, Filmemacher und Buchautor. Ich suchte immer neue Herausforderungen, um nicht in eine Routine zu verfallen. Wenn ich etwas gut konnte, probierte ich jeweils etwas anderes aus.
 
Furrer: Ich konnte immer nur unter Druck arbeiten. Unter Beschuss war ich am stärksten und ich war ständig unterwegs. Darunter haben manche gelitten. Nach dem ganzen Stress würde ich im nächsten Leben mehr auf das Familiäre achten.
 
Wofür hatten Sie sonst in diesem Leben keine Zeit?
 
Furrer: Ich war 16-mal auf Expedition, aber nie höher als 7000 Meter. An und für sich wäre ich gerne höher gegangen, aber aus geschäftlichen Gründen konnte ich nie so lange wegbleiben, dass ich mich hätte akklimatisieren können. Heute wäre das anders, jetzt gibt es Mittel und Medikamente.
 
Cortesi: Ich wollte immer reisen. Durch meine Filmarbeit besuchte ich 125 Länder. Ich habe die schönsten Dinge auf der Welt gesehen – die Arktis, die Antarktis, den Nil – und habe immer machen können, was ich wollte. Nicht, dass ich morgen sterben möchte, aber ich wäre dazu bereit. Der Tod ist für mich ein Stück des Lebens. Vor dem Sterben fürchte ich mich jedoch ein wenig. Ich war jetzt 55 Jahre lang keinen Tag krank. Die Vorstellung, in einem Spital leiden zu müssen, macht mir Angst.
 
Furrer: Du musst doch keine Angst haben. Man muss heute beim Sterben nicht mehr leiden. Wenn es so weit ist, gibt es Medikamente, die die Schmerzen wegnehmen. So wird der Übergang fliessend. Ich selbst habe überhaupt keine Angst vor dem Tod, aber ich denke ja auch, dass ich unsterblich bin (beide lachen).
 
Als junge Menschen waren Sie beide rebellisch, von Trotz getrieben, wie Sie selbst immer wieder in Interviews sagen. Was ist davon geblieben?
 
Cortesi: Hm.
 
Furrer: Man wird weise, aber das Rebellische möchte ich so spät wie möglich aufgeben. Das Rebellische regt die Leute an, führt zu Diskussionen. Ich empfehle jedem, die Meinung zu sagen und im entscheidenden Moment rebellisch zu sein, aber ich ecke heute nicht mehr so grobkantig an wie früher.
 
Cortesi: Ich bin auch einsichtiger und toleranter geworden. Man fängt an, andere Meinungen zu schätzen. Nicht zu akzeptieren, aber zu schätzen. Als ich jung war, konnte ich manchmal nicht begreifen, dass jemand eine andere politische Richtung vertritt.
 
Empört man sich auch weniger?
 
Cortesi: Man explodiert viel weniger schnell, überlegt mehr. Aber man kann immer noch kritisch sein. Wenn ich heute etwas schreibe, frage ich mich immer, wie diejenigen, die anderer Meinung sind als ich, auf meinen Text reagieren. Das machte ich in der Jugend weniger.
 
Furrer: Es braucht Kraft, rebellisch zu sein. Mit zunehmendem Alter fehlt diese manchmal. Dann fragt man sich: Wieso soll ich noch? Oder meine Frau sagt: Hör auf, sei vernünftig.
 
Kann Sie denn noch etwas aus der Fassung bringen?
 
Cortesi: Nein, aus der Fassung bringt mich nichts mehr. Manchmal rege ich mich ein wenig auf. Zum Beispiel ist für mich schwer verständlich, dass sich manche nicht gegen Corona impfen lassen wollen und mit ihrem Egoismus und ihren unbegründeten Ängsten der Gesellschaft schaden.
 
Furrer: Ich kann gar nicht verstehen, wie man mit dieser ganzen Pandemiegeschichte ein Openair Gampel durchführen konnte, an dem niemand eine Maske trägt. Wer sich nicht impfen lässt, ist unmenschlich gegenüber der Umwelt. Alle, die sich nicht impfen lassen, werden diskriminiert werden. Aber sie sind selbst schuld (schlägt mit der Faust auf den Tisch).
 
Nimmt man sich im Alter wichtiger oder weniger wichtig?
 
Cortesi: Ich nahm mich nie wichtig. Manche sagten, ich sei eine wichtige Person, aber mir hat es nie Eindruck gemacht, was die anderen dachten. Wichtiger war immer, was ich von mir selbst hielt. Ich weiss, dass ich Fehler habe, nicht alles weiss, nicht alles kann und gewisse Dinge vor den anderen kaschiere, aber ich kenne mich.
 
Furrer: Bei mir ist es eindeutig so, dass ich mich zunehmend weniger wichtig nehme.
 
Können Sie über sich selbst lachen?

Cortesi: Auf jeden Fall. Zum Beispiel bei den Dreharbeiten: Art erzählte, wie er als 14-Jähriger im Stockalperschloss in Brig vor einem Bundesrat und vor 1000 Personen ein Lied sang und keine Angst hatte. Ich singe nicht einmal unter der Dusche, weil ich denke, dass das Wasser sich fürchten würde. Musik war das einzige Fach, in dem ich keinen Sechser hatte und danach hab ich nie mehr gesungen.

Interview: Mengia Spahr 
 

 

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