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Esskastanie

Vom Brot des kleinen Mannes zur teuren Spezialität

Der Kastanienbaum ist der Baum des Jahres 2018. Seine Früchte sind jetzt reif. Frisch geröstet und noch heiss 
sind Marroni eine Delikatesse. Aber auch als Beilage, Dessert oder Füllung mag die Nuss zu überzeugen.

Durch die Hitze springt die Schale der Esskastanien auf. Bild: Adobe Stock
  • Dossier

Margrit Mast Beyer

Was heute als Delikatesse gilt, war in früheren Jahrhunderten das «Brot des kleinen Mannes». Bevor die Kartoffel den Weg nach Europa fand, galten Maronen in vielen Gegenden als Grundnahrungsmittel. Die rohen Maronen wurden zu Mehl vermahlen und zu einem Brei verkocht. Zuvor war der Kastanienbaum in Kleinasien zu Hause. Der Baum wurde schon von vielen Dichtern der Antike besungen, nicht nur, weil sie wunderschön sind, sondern weil Maronen so gut schmecken. Damals, wie auch heute noch, werden die Maronen in einer grossen durchlöcherten Eisenpfanne in der Glut des Herdes gar geröstet.

Im Mittelalter wuchsen Maronen in der Schweiz in Massen und dienten den Menschen ebenso als Nahrung wie den Tieren als Kraft- und Mastfutter. Auch heute noch hat zum Beispiel der Schinken, den es rund um die Marmorberge von Carrara gibt, seinen einzigartigen Geschmack, weil die Schweine dort mit Maronen gefüttert werden, die an den Berghängen wachsen. Zu uns kommen Edelkastanien ab Oktober. Heute vor allem aus Italien, Spanien und Portugal. In Deutschland ist die Pfalz ein Kastanienparadies. An den sonnigen Hängen des Pfälzer Waldes reifen Esskastanien in Hülle und Fülle. Die Römer brachten die Esskastanien einst zusammen mit dem Wein in die Region.

In der kalten Jahreszeit werden sie geröstet in der Stadt verkauft. Ihr Geruch an den Verkaufsständen zieht die Menschen magisch an. 2018 ist die Kastanie aus der Familie der Nüsse sogar zum Baum des Jahres gewählt worden.

Wer Maronen – oder «Cheschtele», wie man sie auf Berndeutsch auch nennt – nur geröstet kennt, sollte sie einmal als Beilage zu Fleisch- und Gemüsegerichten probieren oder als pikante Füllung oder süsse Creme. In Frankreich sind die kandierten «Marrons glacés» eine teure Spezialität. Zwischen Esskastanien und Marroni wird oft kein Unterschied gemacht. Doch handelt es sich bei der Marroni um eine Weiterzüchtung der Edelkastanie. Die Marroni besitzt mehr Süsse und ein intensiveres Aroma und lässt sich zudem besser schälen. Marroni sind etwas grösser und man erkennt sie an ihrer herzförmigen Unterseite.

 

So erkennt man frische Maronen

Beim Kauf sollte man darauf achten, dass sie keine Risse oder Löcher enthalten und prall und glänzend aussehen. Alte Maronen sind an einer matten Farbe und weicher Konsistenz erkennbar, dann sind die Früchte schon ausgetrocknet. Mit einem Trick kann man zudem testen, ob die Maronen noch gut sind. Dafür legt man die Nüsse einfach in lauwarmes Wasser: Frische Esskastanien sinken zu Boden, wenn sie hingegen an der Oberfläche schwimmen, sind sie alt. Alternativ kann man auch Maronen kaufen, die bereits gekocht, geschält und eingeschweisst sind, diese sind in der Regel allerdings teurer als die frischen Edelkastanien.

Der hohe Zuckergehalt in Verbindung mit dem hohen Wassergehalt macht Marroni leicht verderblich. Bei Zimmertemperatur können diese eine Woche lang aufbewahrt werden, im Kühlschrank bis zu einem Monat. In einem Kübel mit trockenem Sand können die Nüsse sogar mehrere Monate haltbar gemacht werden. Wer sie im Kühlschrank lagert, sollte sie in einen durchlöcherten Plastiksack einwickeln. Gekochte Esskastanien lassen sich einfrieren, so kann die Haltbarkeit auf ein halbes Jahr verlängert werden.

Wer Maronen einmal für sich entdeckt hat, wird schnell feststellen, wie vielseitig sie sind. Zwar schmecken sie pur schon wunderbar, aber auch ein feines Maronensüppchen oder eine würzige Füllung mit Apfel für Gans oder Ente überzeugen. Köstlich sind auch Desserts mit Maronen, wie die berühmten Vermicelles – aber auch Kuchen, Torten und Brot schmecken mit Maronen herrlich.

 

Die Sache mit dem Öffnen

Wie es sich für Nüsse gehört, muss man für den Maronen-Genuss zunächst ziemlich viel Handarbeit leisten. Die Vorbereitung ist schon etwas mühsam, doch der Geschmack der Maronen ist die Mühe allemal wert.

Zum Marronibraten verwendet man nur frische Ware. Vor der Zubereitung ritzt man die Marroni mit einem scharfen Messer kreuzweise ein. Dann werden sie ca. 30 Minuten im Bratofen bei 220°C geröstet. Stellen Sie ein Gefäss mit Wasser in den Ofen, um ein Austrocknen der Marroni zu vermeiden. Esskastanien aus dem Ofen nehmen, sobald die Einkerbungen weit aufgesprungen sind und sich die Schale etwas dunkler gefärbt hat. Die Marroni können alternativ auch zirka 15 Minuten im heissen Wasser gekocht werden. Bei dieser Zubereitungsart gehen aber einige Geschmacksstoffe verloren. Probieren Sie das Marronibraten auch mal im Dampfgarer. Bei 100°C Universalgaren sind Esskastanien nach 30 Minuten perfekt zubereitet. Der Dampf verhindert ein Austrocknen der Marroni, belässt aber alle Aromastoffe.

Wird Püree benötigt, gart man Marroni über Wasserdampf, bis sie zerfallen. Man kann Maronenpüree gut einfrieren. Es kann herzhaft gewürzt oder mit Honig gesüsst werden, wenn man es zu Desserts weiterverarbeiten möchte. Eingefroren wird das Püree aber pur. Als Füllung für Geflügel werden Maronen ebenfalls vorher blanchiert.

Wenn nach dem Garen und Schälen der Marroni noch die zarte braune Haut übrig bleibt, kann man die noch warmen Marroni mit einem Küchentuch abreiben. Wenn auch das nicht geht, die Haut mit einem scharfen Messer händisch entfernen. Nach dem Backen sollten die Esskastanien in einem feuchten Tuch oder in einem mit Zeitungspapier ausgelegten Topf zehn Minuten schwitzen. So lassen sie sich ebenfalls leichter schälen.

 

Kastanien-Ragout

Zutaten für vier 
Personen:

2 fein gehackte kleine Zwiebeln

4 EL Olivenöl

30 Salbeiblätter, fein geschnitten,

800 g geschälte Kastanien

½ Liter Vollmilch

Kräutermeersalz

Pfeffer

 

Zubereitung: Zwiebeln im Olivenöl anschwitzen. Die fein geschnittenen Salbeiblätter dazugeben und mit anschwitzen. Kastanien dazugeben und das Ganze auf kleinem Feuer fünf Minuten dünsten. Die Zwiebeln dürfen nicht braun werden. Mit der Milch ablöschen. Mit Salz und Pfeffer würzen. Die Kastanien aufkochen und auf kleinem Feuer acht bis zehn Minuten zugedeckt köcheln lassen. Nicht rühren, damit die Kastanien nicht zerfallen. Das Ragout sollte feucht sein. Wenn die Marroni viel Flüssigkeit aufnehmen, muss noch etwas Milch nachgegossen werden. mm

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