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Schwingen

Explosiv nach Zug

Läuft es nach Christian Stuckis Karriereplan, hat er Ende August zum zweitletzten Mal die Chance, Schwingerkönig zu werden. Das BT war an einem Trainingsmorgen mit Coach Tommy Herzog in der Woche vor dem ersten Kranzfest dabei. Christian Stucki möchte, sofern es die Gesundheit zulässt, noch ein paar Jahre weiterschwingen. An der Maxime «von Saison zu Saison» hält er aber fest.

240 Kilogramm stemmt Stucki. Konzentriert und explosiv. «So viel war es bis anhin in meiner Karriere noch nie.» Bild: bmb

Beat Moning

Ein Dienstag im Leben von Christian Stucki: Er erledigt am Morgen früh die letzten familiären Dinge, bevor ihn der Weg ins luzernische Beromünster führt. Mit auf dem Beifahrersitz für einmal das «Bieler Tagblatt». Für Christian Stucki gibt es nicht nur Schwingen, nicht nur Sport. Auf der Hinfahrt sind es Gespräche über Gott und die Welt. Was die Zukunft bringt, das lässt Stucki mit seinen zwei jungen Söhnen nicht kalt. Da sind kritische Gedanken legitim.

Einmal ins Trainingskleid umgezogen, ist er aber Vollblutsportler. Im Crossfit-Trainingszentrum von Tommy Herzog wird nichts dem Zufall überlassen. «Er war diesen Winter mit sehr viel Eifer und zum Glück verletzungsfrei bei der Sache», lobt ihn Herzog. Erstmals konnte der Personalcoach mit Stucki einen ganzen Winter lang das volle Programm durchmachen. Noch mehr: «Es kann nicht sein, dass nach einer Schwingsaison eine dreimonatige Pause erfolgt. Das geht die ganze Basis verloren. Nein, wir haben bereits im September mit dem Aufbautraining begonnen.» Für Christian Stucki kein Problem. Er wusste: In diesem Eidgenossen-Jahr muss er gewisse Dinge verändern. «Es brauchte relativ wenig Überzeugungsarbeit. Er wusste schon, was nötig ist. Wir haben vieles angepasst, die Intensität erhöht. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir den richtigen Weg eingeschlagen haben», so Herzog. Das spürt auch Stucki selber. «Ich fühle mich gut und kräftemässig stärker.» Das Gewicht habe er halten können. Aber: «Auch dank gewissen Umstellungen in der Ernährung und mehr Krafttraining hat es sich etwas verlagert, von weniger Fett zu mehr Muskulatur.» Für Herzog ein deutliches Zeichen dafür, «dass der Weg, den wir eingeschlagen haben, der richtige war.» Den letzten Gestellten in Rothenburg am Sonntag gegen Sven Schurtenberger habe ihm aufgezeigt, dass noch nicht alles zum Besten bestellt ist. «Es läuft vieles im Kopf ab, sicher 50 Prozent. Da muss er noch mehr Vertrauen finden, noch mehr Sicherheit», sagt Herzog. Vater Willi Stucki hat den Gang gefilmt. Herzog und Sohn Stucki sehen sich auf Grossleinwand den Kampf an. Und sind genau zu diesem Schluss gekommen. «Er hat zwei-, dreimal gezogen, aber nicht fertig, nicht mit der letzten Überzeugung.» Die letzten Schnellkraft-Übungen stehen an. Im Restaurant Hirschen wird gemeinsam noch das Mittagessen eingenommen, bevor sich die Wege bis Freitag trennen. «Es war ein gutes Training. Ich habe einen frischen und motivierten Stucki gesehen», sagt Herzog abschliessend. Stucki hat um 14.30 Uhr einen Massagetermin in Magglingen und muss danach in der Amag noch etwas erledigen. Vor der Rückkehr nach Hause holt er noch seinen Sohn bei den Eltern ab.

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Tage und Abende gut ausgefüllt
Montag, Mittwoch und Donnerstag ist Arbeitstag. Da ist Chauffeur Christian Stucki auf den Strassen unterwegs, um Ware auszuführen. Am Dienstag und Freitag reist er jeweils am Morgen ins luzernische Beromünster zum Training mit seinem Fitness- und Mentalcoach Tommy Herzog. Zusätzlich am Dienstagnachmittag noch zur Massage nach Magglingen. Die Schwingabende sind mit den Seeländern am Montag und Mittwoch und mit dem Kantonalverband am Freitag festgelegt. Damit ist gesagt: Das Programm von Christian Stucki ist ziemlich mit Schwingen ausgefüllt. «Vergessen wir die Familie nicht. Die ist für Chrigu enorm wichtig, die gehört mit in die Planung und darauf nehmen wir auch Rücksicht», so Herzog. In der Tat: die Buben Xavier und Elias in den Kindergarten oder in die Spielgruppe zu führen, oder wie an diesem Dienstag zu den Eltern nach Diessbach zu bringen, gehört ebenso ins Programm. «Alles unter einen Hut zu bringen, ist nicht immer einfach. Mit meinem 60-Prozent-Pensum geht es aber recht gut», so Stucki, der sich nicht beklagt und die Sache relativ gelassen angeht. Er beabsichtigt, im Juli und August vor dem Eidgenössischen der Regeneration noch mehr Beachtung zu schenken und das Arbeitspensum weiter zu reduzieren. Herzog sagt: «Chrigu hat ein gutes Gespür für seinen Körper und er weiss, wann er auch mal eine Pause braucht, auch mal ein Training auslassen muss. Es ist wichtig, im Kopf frei zu sein, auch mal loslassen zu können. Er muss einfach bis in die letzte Faser seines Körpers wissen, was für ihn wichtig ist.» Tommy Herzog investiert viel in Stuckis Karriere, die nach dem Unspunnen 2017 einen nächsten Höhepunkt vorsieht. Weitere Ratschläge folgen. «Nehmen wir die Medien und das zunehmende Interesse. Er muss Prioritäten setzen, sich nicht zu sehr ablenken lassen.» Stucki, der offen ist für vieles, meint: «Es ist normal, dass der Fokus der Medien auf dem Eidgenössischen liegt und das Interesse zunimmt. Ich mache da sicher bis zu einem gewissen Grad mit, aber generell möchte ich nicht zu viel Zeitverlust hinnehmen, dazu sind einfach meine Tage schon zu sehr ausgefüllt.» bmb

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Höhepunkte in Lyss und Zug
Die Kranzsaison startet am Sonntag in Zäziwil mit dem Emmentalischen. «Ein gutes Resultat wäre für Chrigu wichtig», sagt Coach Tommy Herzog, der vor Ort das Geschehen verfolgen wird. Dies tut er übrigens nicht immer, und dennoch stehen sich die beiden nahe. «Manchmal schreibe ich ihm ein Whatsapp, manchmal telefoniere ich ihm und wir unterhalten uns ein wenig», so Stucki, der im Moment mit 126 Kränzen und 41 Kranzfestsiegen dasteht.

Wie viele Gespräche in Zäziwil nötig sein werden, wird sich zeigen. Auf jeden Fall in guter Verfassung will sich Christian Stucki in «seinem» Heimfest präsentieren. Der Lysser wird am 26. Mai mit dem Fahrrad ins Grien fahren und das Seeländische in Angriff nehmen. «Das ist schon speziell, im Wohnort zu schwingen», blickt er voraus und freut sich enorm. Dabei müsse er einfach ausblenden, «dass da bedeutend mehr Nachbarn und Dorfkollegen kommen, als sonst.» 2006 war es, als der in Diessbach aufgewachsene Christian Stucki das Seeländische in Diessbach wegen einer schweren Beinverletzung nicht absolvieren konnte. «Das hat mich damals schon sehr gewurmt.»

Nach zwei weiteren Auftritten am Mittelländischen und Oberaargauischen folgt eine längere Pause. «Das war geplant, weil wir hier im Juni einen Aufbaublock einschieben wollen», sagt Herzog. Am 23. Juni beginnt die Bergfestsaison mit dem Schwarzsee. Zwei Wochen vor dem Eidgenössischen dann noch das Kantonale in Münsingen. «Wenn ich gesund bin, starte ich. Es ist bestimmt ein guter Formtest», sagt Stucki. Herzog hält dagegen: «Warten wir ab. Vor Unspunnen hat er die Schwägalp weggelassen und ist dabei gut gefahren.» Dieses Bergfest fand indes nur eine Woche vor dem Anlass in Interlaken statt.

Am 24./25. August dann der grosse Auftritt in Zug. Ein erster Augenschein hat schon stattgefunden. Beim Kick-Off-Meeting der Berner Schwinger, mit anschliessendem Besuch des Eishockeyspiels gegen Biel, sowie kürzlich alleine nach einem Training in Beromünster. «Da macht man sich einfach so seine Gedanken, was sein könnte», sagt Stucki zu jenen paar Minuten, in denen auf das jetzt noch grüne Terrain geblickt hatte. Sich hier krönen zu lassen, wäre der Karrierehöhepunkt.

Weiter gehen die Gedanken nur bedingt: 2020 ist das 125-Jahr-Jubiläumsfest des Verbandes in Appenzell, 2021 der Kilchbergschwinget, 2022 das nächste Eidgenössische in Pratteln. «Und 2023 wäre dann wieder Unspunnen», lächelt der Unspunnensieger von 2017. bmb

 

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