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„Krawattenzwang“

Verkopft

Im persönlichen Blog berichtet Bernhard Rentsch, publizistischer Leiter der Gesamtredaktion und Chefredaktor „Bieler Tagblatt“ wöchentlich über Erlebnisse im privaten wie im beruflichen/gesellschaftlichen Leben – dies immer mit einem Augenzwinkern. Heute: Verkopft.

Bernhard Rentsch: Krawattenzwang
  • Dossier

Skisport ist aktuell an allen Stammtischen ein Hauptthema – so wurde mir in diesen Tagen via Radio verkündet. Wohl schon, denke ich als Nicht-am-Stammtisch-Sitzender. Gemeint sind die Weltmeisterschaften, die aktuell in Schweden stattfinden. Und deren Informationen und Resultate den Weg in genannte Diskussionen finden. Für die Schweiz bekanntlich mit einem geglückten Start. Die Medaille von Corinne Suter im ersten Rennen am Dienstag erlöste gemäss Insidern eine ganze Nation – und soll die Schleusen für mehr geöffnet haben.

In Livesendungen, Reportagen und noch viel mehr in den Interviews direkt nach Rennschluss wird bekanntlich viel «heisse Luft» produziert. Als Journalist kenne ich die Not, möglichst interessante Fragen zu stellen – die sich halt dann doch immer wieder gleichen. Und aus der Sicht der Sportlerinnen und Sportler ist allen klar, dass das dazu gehört und sein muss. Und dass dabei häufig halt nur sehr Oberflächliches herausschaut. Gelegentlich darf man aber auch dabei kleine Leckerbissen aufschnappen.

Bemerkenswert war aus meiner Sicht diesmal die Ein-Wort-Analyse der Laufbahn der 24-jährigen Schwyzerin Corinne Suter: Sie habe bisher vieles in ihrer Karriere verkopft.

Verkopft? Zumindest für mich ist das ein neues Wort – eines, das mir gut gefällt. Man kann sich so wunderbar schön viel vorstellen, wenn jemand etwas verkopft. Offiziell übrigens gibt es das Wort, wie die Recherche im digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache bestätigt. Verkopft sein bedeutet sich den Kopf zerbrechen, grübeln, nachsinnieren.

Wer kennt das nicht? Verkopfen ist offensichtlich ein Problem im Sport – aber nicht nur, wie mir scheint. Es wird in vielen Lebensbereichen einiges verkopft. Und damit stark angepasst, verzögert oder gar verhindert. Der oft zitierte Konflikt zwischen Kopf- und Bauchentscheiden wird (zu) häufig durch den lateinisch als «ratio» bezeichneten Weg der Vernunft dominiert. Das Abwägen von Vor- und Nachteilen ist gut und recht, kann aber auch das Verpassen des «richtigen» Moments bedeuten. Ich plädiere dem gegenüber nicht für kopfloses Agieren. Aber etwas mehr Spontanität, etwas mehr Emotionen und etwas mehr Vertrauen in die Kraft des ersten Gedankens schadet nicht. Das bedeutet vor allem einfach mal: Tun.

Das kann zum Beispiel zu einem Podestplatz an den Ski-Weltmeisterschaften führen ...


brentsch@bielertagblatt.ch

Twitter: @BernhardRentsch

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