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Wochenkommentar

Den Trauernden nicht die Kirchentür weisen

Nicht-kirchliche Trauerredner sollen keine Abdankungen mehr durchführen können, findet die reformierte Kirche. BT-Redaktor Beat Kuhn macht sich Gedanken dazu.

Für Abdankungen sind Gotteshäuser nach wie vor gesucht. Das sollten die Kirchenoberen bewahren, nicht behindern. Symbolbild: pixabay

«Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, es kommt der Herr der Herrlichkeit.» So heisst eines der bekanntesten Adventslieder, und man versteht den Text noch heute, auch wenn er im Deutsch des 17. Jahrhunderts geschrieben ist, in dem das Lied verfasst wurde. Dieses basiert auf einem Psalm im Alten Testament, der Gott in einem Tempel willkommen heisst, wie die jüdisch-christlichen Gotteshäuser in alten Zeiten noch genannt wurden.

Der Synodalrat der reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn, also quasi der christliche Regierungsrat, heisst nicht-kirchliche Trauerredner hingegen nicht mehr willkommen; er will die Kirchentüren nicht mehr für sie öffnen. Zwar verbietet er nicht gerade, dass in Gotteshäusern sogenannte Ritualbegleiter sprechen, sondern überlässt den Entscheid jeder einzelnen Kirchgemeinde. Aber er gibt doch klar die Empfehlung ab, dies künftig nicht mehr zuzulassen, auf Anregung eines Pfarrers im Seeland notabene.

Ist das christlich?

Keine einfache Frage. Man kann natürlich sagen, dass Kirchen ja Bauten des Christentums sind und darum auch nur christliche Amtsträger darin reden sollen. Aber das ist eine formale Argumentation. Und Jesus, der Heilsbringer im Neuen Testament, war nie ein Formalist. Im Gegenteil: Die formalistischen, strenggläubigen Vertreter der jüdischen Bevölkerung, in der er wirkte, waren seine grössten Gegner.

Das Zentrale am Christentum ist vielmehr der Geist der Bergpredigt, also der Geist der Mitmenschlichkeit. Wann aber bedürfen Menschen besonders stark der Anteilnahme? Dann, wenn sie um einen Verstorbenen trauern, der ihnen lieb war. Und in dieser Grenzsituation des Lebens soll man ihnen die Tür weisen, wenn sie für die Abdankung nicht einen Pfarrer möchten? Nein, das kann nicht im Sinne von Jesus sein, dessen Herz immer offen war für Menschen in Not.

«Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.» Das steht zwar nicht in der Bibel, sondern in Antoine de Saint-Exupérys Geschichte «Der kleine Prinz». Aber diese Weisheit bringt den Kern der christlichen Botschaft besser zum Ausdruck als manche blutleere Abhandlung eines Theologen. Die Kirchgemeinden sind gut beraten, im Umgang mit Trauerrednern diese Kernbotschaft im Auge zu behalten.

Die zu hörende Begründung, dass Trauerredner kommerzielle Interessen hätten, erweist sich im Übrigen als Bumerang, denn schliesslich arbeiten Pfarrer ja auch nicht für Gottes Lohn. Angesichts der anhaltenden Austritte und leeren Gotteshäuser täten die Kirchenoberen gut daran, nicht jene, die ihre Räume aufsuchen wollen, auszusperren, sondern sich zu überlegen, wie die pastoralen Hirten ihre Schäfchen wieder um sich scharen können. Denn die Lieder sind bei Weitem nicht das Einzige, das veraltet ist an den Landeskirchen. In Gottes Namen!

E-Mail: bkuhn@bielertagblatt.ch

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