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à table

Zartes Lamm vor filmreifer Kulisse

Der Weg in Biels einzige Genossenschaftsbeiz ist steinig. Die Untergasse ist gesperrt, Rauch liegt in der Luft.

Peter Staub

Vom Ring her zeigt sich ein bizarres Szenario. Polizisten marschieren in Vollmontur durch die Gasse. Jetzt ist klar: Hier wird ein Film gedreht. Später erfahren wir, dass die Suva ihren neuen Unternehmensfilm produziert. Den Haupteingang zu benutzen ist unmöglich. Wir suchen einen Weg durchs «Ufo», den Club über dem Restaurant. In der Brasserie St. Gervais ist das Grotto, in dem wir reserviert haben, unbeleuchtet. Die rund 20 Gäste essen alle in der normalen Gaststube. Der Kellner erklärt, das Grotto werde nicht bedient, solange die Terrasse offen sei. Man habe sonst nicht genügend Servicepersonal. Weil die Gartenbeiz nur noch mässig belebt ist, dürfen wir uns trotzdem einen Tisch im Grotto aussuchen. Mit der gewölbten Decke und dem Cheminée ist es gemütlich hier; obwohl wir allein sind.

Anstelle eines Apéros bestellen wir einen halben Liter Mineralwasser mit Kohlensäure, der anders als bei früheren Besuchen nicht offen, sondern in der Flasche serviert wird (5.50 Franken).

Die Vorspeise teilen wir uns. Wir diskutieren lange, ob wir die gebratenen Kräuterseitlinge auf Toast mit Blattsalat (14.50 Franken) oder den Rucolasalat an Nuss-Honigdressing mit geräucherter Entenbrust (14.50 Franken) bestellen wollen, entscheiden uns dann für den Rucolasalat. Gleichzeitig ordern wir als Hauptgang ein neuseeländisches Lammnierstück mit rosa Pfeffer auf Pilzragout mit Gemüse und Pommes frites (33 Franken) und den einheimischen Kaninchenrollbraten an Rosmarinsauce mit Gemüse und Reis (27 Franken).

Wir fragen nach einem passenden Bio-Rotwein. Der Kellner empfiehlt einen Ligerzer Pinot Noir von Bruno Martin (6 Franken pro Glas oder 28 Franken für eine Halbliter-Flasche). Dieser ist uns zu leicht. Also bestellen wir den konventionellen Hauswein: einen Gran-Sasso Primitivo aus der Gegend um San Marzano (1 dl à 4 Franken). Dieser wird leider entgegen der Empfehlung auf der hauseigenen Webseite nicht mit einer Temperatur zwischen 16 und 18 Grad, sondern mit Zimmertemperatur serviert. Dennoch schmeckt er rund und kräftig. Spätestens beim Einschenken wird klar, dass der Kellner bei aller Freundlichkeit kein Fachmann ist: Beide Gläser füllt er von derselben Tischseite her. Einen Moment lang vermissen wir ein Amuse-bouche. Doch die Vorspeise entschädigt uns bald. Der Kellner stellt den länglichen Teller in die Tischmitte, so dass wir beide bequem daraus essen können. Die Salatsauce ist zwar etwas ölig, kitzelt dennoch zart den Gaumen.

Die Portionen des Hauptgangs sind riesig. Beide Menüs riechen ausgezeichnet. Das Lamm ist rosa und zart, das Pilzragout cremig und das Gemüse frisch. Das Kaninchen gefällt ebenfalls, auch wenn das Fett im Rollbraten nicht jederfraus Sache ist. Da wir satt sind, teilen wir uns das Dessert. Das vegane Schokoladenmousse mit Ananas-Chutney (9 Franken) tönt interessant, trotzdem bestellen wir das Zwetschgen-Tiramisu (9.50 Franken), das hervorragend mundet. Der Espresso ( 3.80 Franken) jedoch ist so fad wie ein normaler Kaffee. Der Kellner sagt, er hätte deswegen schon mehrere Reklamationen gehabt. Dennoch figurieren die Espressi dann auf der Rechnung.

Fazit: In angenehmer Atmosphäre erhalten wir für 125 Franken, Trinkgeld inbegriffen, eine Menge gutes Essen.



Brasserie St. Gervais
Karte: Die Abendkarte wechselt alle zwei Wochen: Vorspeisen, Fleisch- und Fischgerichte, vegetarische Menüs (eines vegan) und Desserts.

Preis: Hauptgang zwischen 25 und 33 Franken, Vegi und Pasta zwischen 17 und 26 Franken.

Ambiance: ungezwungen, Brasserie, typisch Altstadt.

Kundschaft: Alternative, Familien, Künstler, Handwerker.

Aufgefallen: Kein Wirt, sondern ein Kollektiv.

Info: Untergasse 21, 2502 Biel, 032 322 48 22, www.st-gervais.ch; Restaurant: Mi bis Mo, ab 9:30 Uhr; So ab 11:00 Uhr; Do bis Sa bis 0:30 Uhr. Dienstag ist Ruhetag.

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