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A Table

Leckeres vom schüchternen Koch

Trommelrhythmen und Schlachtrufe hallen durch das Dorf, als wir am Samstagabend in Diessbach ankommen. «Ganz schön was los hier», stellen wir erstaunt fest. Kein Wunder: Der Rollhockeyclub Diessbach spielt im Europacup.

Andrea Butorin

Abrupter Szenenwechsel, als wir das gepflegte Restaurant Storchen betreten: Hier herrscht Stille, denn wir sind die ersten Gäste an diesem Abend. Allfällige Beklommenheit deswegen lässt Gastgeberin Monika Holenweger gar nicht erst aufkommen. Sie begleitet uns zum Tisch im geräumigen Stübli, sucht auf angenehme Art das Gespräch und gibt uns das Gefühl, willkommen zu sein.

Die Apéritif-Karte enthält einige gluschtige Vorschläge; die Wahl fällt auf einen Kir Royal (à 9 Franken), die Kombination von Cassislikör und Schaumwein ist in der Deutschschweiz nicht sehr verbreitet.

Die Speisekarte ist angenehm übersichtlich. Für den grossen Hunger gibt es drei verschiedene Viergangmenüs. Der Klassiker des Hauses sind Rindshuftwürfel Woronov an hausgemachter Rösti. Weil dieses Gericht Bestandteil des Storchenmenus ist, fällt die Wahl darauf, doch klingen die ersten beiden Gänge des Genussmenüs verlockender – kein Problem für Monika Holenweger. Weil sich das Vis-à-vis auf zwei Gänge beschränkt, wird der Wintersalat mit Orangenfilets und geräucherter Entenbrust bald schon aufgetischt – frisch-knackig und mit hauchdünnen, würzigen Fleischstücken versehen.

Inzwischen sind weitere Gäste eingetroffen und werden ebenfalls im Stübli platziert. Bald schon serviert die Gastgeberin Gang zwei, eine Rieslingcremesuppe. Sie ist mit fein geschnittenen Gemüsestücken versehen, ist cremig-luftig und ideal gewürzt. Die Consommé Curzon des Gegenübers, mit einer Haube von Rahm und Curry überbacken, hätte dagegen etwas würziger ausfallen dürfen.

Beim Wein fällt die Wahl auf einen Jeninser Dornoir Cuvée Jahrgang 2016 von Winzer Jürg Obrecht, eine Assemblage aus Dornfelder und Pinot Noir mit sechsmonatigem Ausbau im Eichenfass (49 Franken die Flasche) – ein ausserordentlich würziger Wein mit Cassisnote.

Wir freuen uns schon auf die Hauptgänge. Die Rindshuftwürfel sind zart gebraten, und die Rösti ist zwar knusprig, aber nicht zu sehr, und damit genau so, wie sie sein muss. Die Herkunft der Woronov-Sauce «nach altem Geheimrezept der Familie» klingt etwas gar nach Legende. Nichtsdestotrotz schmeckt die sämige und mit zahlreichen Kräutern versehene Sauce hervorragend. In Russland übrigens versteht man unter einer Woronov-Sauce eine cremige Spinatsauce; da ist das Geheimrezept definitiv die bessere Wahl.

Die Begleitung hat sich für ein Rinds-Entrecôte mit grüner Pfeffersauce, Pommes frites und Seeländer Gemüse entschieden (41 Franken) – Letzteres wird auch zu den Rindswürfeln serviert. Auch bei diesem Gericht ist alles perfekt umgesetzt – vom zartrosa Fleisch bis zum Gemüse mit Biss. Schade, dass sich Koch Hans Holenweger den ganzen Abend nie aus der Küche wagt, um das wohlverdiente Lob entgegenzunehmen.

Ein Dessert soll diesen kulinarischen Genuss abrunden. Leider enthält die Karte wenig Kreatives. Die Wahl fällt auf die lauwarmen Waldbeeren mit Fior-di-Latte-Glacé, eigentlich Bestandteil des Genuss-Menüs (das letztlich mit 66 Franken auch verrechnet wird). Die Begleitung mag ein französisches Ende und wählt ein kleines Käse-Assortiment (à 12 Franken). Rundum zufrieden treten wir in die Nacht hinaus. Der RHC hat sein Spiel verloren, die Trommeln im Dorf sind verstummt.

Andrea Butorin

abutorin@bielertagblatt.ch

Info: Restaurant Storchen, Schmiedgasse 1, Diessbach. Tel: 032 351 13 15; Offen: Mo, Do, Fr, Sa: 10-15 Uhr und 17-23 Uhr. So: 10-22 Uhr (Gesellschaften auf Anfrage auch ausserhalb dieser Zeiten; 3.-13.2: Betriebsferien).
 www.storchen-diessbach.ch

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Restaurant Storchen
- Karte:
Fleisch- und Fischliebhaber 
kommen voll auf ihre Kosten, 
Vegis dagegen haben kaum Auswahl.
- Preis: Mittlere Preisklasse.
- Ambiente: Das altrosa gestrichene Haus fällt mit seiner adretten Umgebung im Diessbacher Zentrum auf. Im Inneren dominiert helles Holz.
- Aufgefallen: Das Gastgeberpaar Monika und Hans Holenweger feiert dieses Jahr sein 30-Jahr-Jubiläum im «Storchen». ab

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